Ausgabe 04/2007
Hilfe für deutsche Exporteure
Von Annette Jensen |Ohne staatliche Kreditabsicherung würden sich deutsche Firmen nicht trauen, Waffen nach Oman zu liefern oder einen Staudamm in der Türkei zu bauen
Bedrohte Idylle in Hasankeyf.
Wenn DaimlerChrysler Fahrzeuge nach Algerien, China oder Kolumbien exportieren will, lässt sich der Konzern das lieber vom deutschen Staat absichern: So ist für das Unternehmen garantiert, dass die Rechnungen am Schluss auch bezahlt werden. Kommt es im Empfängerland zu politischen Unruhen oder der Auftraggeber geht pleite, übernimmt der Bund 85 bis 95 Prozent der Kosten.
Jahr für Jahr werden auf diese Weise Aufträge im Wert von etwa 20 Milliarden Euro ermöglicht. "Die Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung dient der Unterstützung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern", begründet die Bundesregierung die Exporthilfen in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. In vielen Fällen erfährt die Öffentlichkeit nichts von der staatlichen Stütze: Erst ab einem Versicherungswert von 15 Millionen Euro werden die Ausfall-Kredite publiziert.
Viele Hermes-Kredite sind umstritten. So wurden im Jahr 2005 Rüstungsexporte nach Oman, Pakistan, Kasachstan, Russland und Tunesien erst durch staatliche Ausfuhrgewährleistungen ermöglicht. Ende März genehmigte die Bundesregierung außerdem eine Exportkreditversicherung für das Bauunternehmen Züblin AG, die international Proteste auslöste. Die Stuttgarter Firma will im Südosten der Türkei am Ilisu-Staudamm mitbauen. 312 Quadratkilometer Land sollen überflutet werden, auf denen bisher noch 50000 bis 80000 Menschen zu Hause sind. Offizielles Ziel der türkischen Regierung ist es, die extrem arme Region durch ein 1200-Megawatt-Kraftwerk zu entwickeln.
Mehrfach gab es internationale Bedenken
"Die Türkei hat sich nach intensiven und konstruktiven Verhandlungen zu Maßnahmen verpflichtet, die weit über die bisher bei Staudammprojekten geübte Praxis hinausgehen", lobt das Bundeswirtschaftsministerium. Schon mehrfach war das Projekt zuvor aufgrund internationaler Bedenken geplatzt.
Das 135 Meter hohe Bauwerk ist Teil des Südostanatolienprojekts, in dessen Rahmen insgesamt 22 Staudämme an Euphrat und Tigris geplant sind. Schon in den vergangenen Jahren wurden dafür mehrere hunderttausend Menschen umgesiedelt. Die meisten von ihnen leben heute in den Städten Batman und Diyabakir, deren Einwohnerzahlen sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht haben. Der überwiegende Teil der Umsiedler findet hier keine Existenzgrundlage: In den Zuzugsvierteln sind fast 70 Prozent der Bewohner arbeitslos. Werden nun durch den Ilisu-Staudamm noch einmal zehntausende von Landbewohnern entwurzelt, verschärft sich das Problem weiter. Auch der Weltbank- und OECD-Experte für Umsiedlungsfragen hält den Plan der türkischen Regierung an dieser Stelle für völlig unzureichend, berichtet die umwelt- und entwicklungspolitische Organisation weed.
Die Folgen für die Umwelt sind ebenfalls dramatisch. Während der Lebensraum der Streifenhyäne und anderer bedrohter Tier- und Pflanzenarten überschwemmt wird, sinkt dammabwärts der Grundwasserspiegel. Trotz internationaler Zusicherungen lässt sich außerdem nicht ausschließen, dass die Türkei bei einem politischen Konflikt den Irakern den Wasserzufluss absperrt.
Schließlich wird auch eine der ältesten erhaltenen Siedlungen der Menschheit in den Fluten versinken. Der zum Teil in den senkrechten Felsen gehauene Ort Hasankeyf wurde vor etwa 10000 Jahren angelegt; später haben hier Babylonier, Assyrer, Byzantiner, Araber und Kurden ihre Spuren hinterlassen. Zwar will das Baukonsortium oberhalb des Stausees einen "Archäologiepark" anlegen und dort Hasankeyf zum Teil wieder aufbauen. Doch die Höhlenwohnungen lassen sich ebenso wenig nachbilden wie sich viele Bauten einfach umsetzen lassen: Ihr Material ist meist viel zu porös.
Das Entwicklungshilfeministerium, das an der Entscheidung für den Hermes-Kredit beteiligt war, rechtfertigt seine Zustimmung mit Verbesserungen, die bei den Verhandlungen erreicht wurden: Bau und Betrieb würden viele Jobs für Menschen in der Region schaffen. Außerdem erhalten jetzt drei große Städte im Projektgebiet Kläranlagen. Heike Drillisch von weed kommt dagegen zu einem eindeutigen Urteil: "Die Bundesregierung opfert Menschen, Kultur und Umwelt, um einigen Unternehmen Gewinne zu ermöglichen."