Die Hans-Böckler-Stiftung stockt ihr Studienförderprogramm für zusätzliche 500 Studierende auf

Für junge Menschen aus ärmeren Familien wird es immer schwerer zu studieren. Das liegt nicht nur an den neu eingeführten Studiengebühren. Sogar der UN-Menschenrechtsrat bezeichnet das deutsche Bildungssystem inzwischen als "diskriminierend". Migrantenkinder und Jungen und Mädchen aus bildungsfernen Elternhäusern würden in Deutschland "systematisch benachteiligt", schrieb der UN-Sondergesandte Venor Muñoz den deutschen Kultusministern Ende März ins Stammbuch.

Dem will die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung (HBS) nun etwas entgegensetzen. Deshalb hat sie ihr Stipendienprogramm deutlich ausgeweitet und dabei einen neuen Schwerpunkt gesetzt. Künftig soll 500 jungen Menschen, deren Eltern wenig Geld haben, ein Studium ermöglicht werden. Angesprochen sind nicht nur Abiturientinnen und Fachabiturienten, sondern auch Schülerinnen und Schüler kurz vor dem Abschluss.

Bisher hat die Hans-Böckler-Stiftung ausschließlich Menschen beim Studium unterstützt, die sich bereits durch gesellschaftliches oder gewerkschaftliches Engagement hervorgetan haben. "Wir hatten nach unseren eigenen Kriterien keine Möglichkeit, zum Beispiel eine junge Frau aus einer türkischen Arbeiterfamilie mit vier Geschwistern zu fördern, obwohl wir sie für sehr geeignet hielten", berichtet Rainer Jung von der HBS. Gerade viele Schüler aus solchen Verhältnissen müssten häufig jobben und hätten keine Zeit, sich politisch, gewerkschaftlich oder in einer anderen Initiative zu engagieren. Auswahlkriterium für die neue Gruppe von Stipendiaten ist deshalb auf jeden Fall die Bedürftigkeit - also der volle BAföG-Anspruch.

Nicht nur Noten zählen

Auch die Begabung soll natürlich eine Rolle spielen. "Darunter verstehen wir aber nicht allein die Noten", versichert Jung. Ebenso in Betracht gezogen werden die persönliche und fachliche Eignung, die soziale Sensibilität und unter welchen Bedingungen jemand das Abitur geschafft hat. Für einen, der von seinen Eltern keinerlei fachliche Unterstützung bekommt und seine Hausaufgaben vielleicht in sehr beengten und lauten Verhältnissen erledigen muss, sind gute Noten wesentlich schwerer zu erreichen als für viele Klassenkameraden. Schließlich will die Auswahlkommission der Hans-Böckler-Stiftung auch auf die Bereitschaft der Bewerber zum gesellschaftlichen Engagement achten. Bewerbungsunterlagen gibt es unter www.boeckler.de. Die Bewerbungsfrist wurde bis zum 31. Mai verlängert.

Pro Monat erhalten Stipendiaten bis zu 605 Euro inklusive Büchergeld. Außerdem organisiert die HBS vielfältige Unterstützungen wie Seminare, Auslandssemester und hilft bei Praktika. An fast allen Hochschulstandorten gibt es Studiengruppen: eine aktive Mitarbeit dort gilt beispielsweise als gesellschaftliches Engagement.

Annette Jensen