Vorstand: Mit dem Kopf durch die Wand - Belegschaft: Geduld zu Ende

Zigtausende Kolleginnen und Kollegen bei der Telekom bestreiken den knallharten Kurs des Managements. Konzernchef René Obermann hatte bei Bekanntgabe der Quartalszahlen erneut bekräftigt: Mehr als 50000 Beschäftigte der Telekom AG sollen bereits im Juli ausgegliedert werden. In einer neu zu gründenden Service-Gesellschaft sollen sie dann länger arbeiten, weniger verdienen und sich auch auf weitere Nullrunden einlassen. Für einige bedeuten die geplanten Maßnahmen zusammengerechnet Verluste von bis zu 40 Prozent. Kein Wunder, dass viele sich in ihrer Existenz bedroht fühlen. Ihr Stundenlohn könnte dann sogar unter den von ver.di geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro rutschen.

Gustav Schwab, Telekom München, streikt mit

Nach monatelangen Verhandlungen zwischen ver.di und der Konzernspitze hatte die Große Tarifkommission Anfang Mai grünes Licht für die Urabstimmung gegeben, 96,5 Prozent der aufgerufenen Beschäftigten stimmten für einen Arbeitskampf. Das hohe Ergebnis verdeutlicht die Stimmung der Kollegen. Lange genug haben sie stillgehalten: Nicht nur die jüngsten Umbaupläne gehen auf Kosten der Beschäftigten. Die Geschichte der privatisierten Telekom ist eine Geschichte fortgesetzter Umstrukturierung und drastischer Einschnitte.

Büßen für den Börsengang

Auch die Vorgänger Obermanns, der im vergangenen November den Vorstandsvorsitz übernahm, haben den ehemaligen Bundesbetrieb immer wieder umgebaut. Weit mehr als 100000 Stellen blieben seit Privatsierung und Börsengang der Telekom 1995 auf der Strecke. Bis Ende kommenden Jahres sollen weitere 32000 Mitarbeiter den Konzern über Vorruhestands- oder Abfindungsregelungen verlassen.

Bislang hatten sich die Belegschaft und ver.di stets konstruktiv gezeigt und 18 Umstrukturierungen inklusive diverser Einsparungen und Kürzungen in elf Jahren mitgetragen. 2005 haben die Beschäftigten bereits im Zuge einer Arbeitszeitverkürzung auf Lohn verzichtet. Aber der kompromisslose Kurs Obermanns hat jetzt zur Eskalation des Konfliktes geführt. Bei der Hauptversammlung der Aktionäre Anfang Mai in Köln hatte Obermann noch angekündigt, auch der Vorstand werde Verzicht üben und sich ein Monatsgehalt kürzen, er persönlich sogar zwei. Bei einem Jahreseinkommen von etwa zwei Millionen Euro dürfte das Haushaltsloch bei Obermann jedoch weit weniger dramatische Folgen haben, als bei einer Sachbearbeiterin im Kundenservice unter den angedrohten Kürzungsbedingungen. Eine eher zynische als entgegenkommende Geste des Managements also, die den ersten Streik in der Unternehmensgeschichte der Telekom nicht abwenden konnte.

Die Beschäftigten wollen die Fehler des Managements nicht länger ausbaden. Deshalb haben sie sich in letzter Konsequenz für den Streik entschieden. Der soll sich, heißt es einstimmig aus der Streikleitung, vor allem auf die Großkunden auswirken, möglichst wenig auf uns Einzelkunden.

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