Auch im Hessischen setzen sich die Beschäftigten der Telekom gegen die Konzernpläne zur Wehr

So leicht kann dich nichts umwerfen. Du hast eine qualifizierte Ausbildung. Du verrichtest deine Arbeit gewissenhaft. Du hast ein tragfähiges Fundament, auf dem vieles gedeihen kann - Liebe, Familie, Erziehung der Kinder, Wohnung oder Häuschen, berufliche Weiterentwicklung, Urlaub oder ein ganz persönliches Unterfangen. Du willst dein Leben selbst in die Hand nehmen.

Wir sprechen hier nicht von Luxus. Wir sprechen von einem Monteur bei der Telekom, Niederlassung Mitte, die Hessen und weite Teile von Rheinland-Pfalz umfasst. Bisheriges Jahresgehalt 29087 Euro. In einem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung wurden bereits Arbeitszeit und Entgelt reduziert, damit der Umbau des Konzerns einigermaßen sozialverträglich vonstatten gehen kann.

Ende April: Warnstreik in Darmstadt

Nun greifen andere in dieses Leben ein. Und zwar in einer Art und Weise, die alles Bisherige zu vernichten droht. Rund 4500 Beschäftigte der Telekom in Hessen - technischer Kundendienst, Netzniederlassung, Call-Center - sollen ausgelagert werden in eigenständige Service-Gesellschaften. In der gesamten Republik beläuft sich die Zahl der Betroffenen auf 50000.

Nach dem "Umbaubeitrag"

Im technischen Kundendienst überwiegt Vollzeitarbeit, der Anteil von Frauen beträgt rund 30 Prozent. In den Call-Centern arbeiten vorwiegend Frauen in Teilzeitarbeit. Was Hessen angeht, haben auch sie vor gut einem halben Jahr bereits ihren "Umbaubeitrag" geleistet. Damals wurden Standorte aus Mittelhessen in den Raum Frankfurt verlegt. Für Frauen, die schon wegen der Kinderbetreuung auf einen wohnortnahen Arbeitsplatz angewiesen waren, ein Ding der Unmöglichkeit.

Bei den aktuellen Plänen der Konzernspitze handelt es sich aber noch einmal um andere Dimensionen. Für Call-Center gibt es ein neues Standortkonzept, nach dem nur diejenigen mit mindestens 800 Beschäftigten erhalten bleiben sollen. In Hessen gibt es kein Center, das so groß wäre. "Deshalb", so Brigitte Reinelt, hessische Fachbereichsleiterin von ver.di, "ist das für teilzeitbeschäftigte Frauen gleichbedeutend mit einer Kündigung." Falls die Frauen völlig unabhängig sind und in Vollzeit arbeiten, bedeutet das Konzept für sie alles in allem, ihre bisherige Lebenssituation aufzugeben und Geldeinbußen um über 40 Prozent, auf 1151 Euro im Monat, hinzunehmen. Man fragt die Verantwortlichen, wie man so leben soll. Sie sagen: Streng dich an - als ob man das nicht jetzt schon täte - dann bekommst du einen leistungsbezogenen "variablen Gehaltsbestandteil".

Variables Taschengeld

Für Monteure sieht es ähnlich aus. Es könnte passieren, dass das Einkommen um rund 35 Prozent sinkt. Schluss mit der Idee vom Lebensplan. Die monatliche Rate, eine gute Ausbildung für die Kinder, schon der Alltag, alles wird zum Problem. Auch ihnen winkt die Telekom mit variablen Anteilen. Otto Seckler, selbst vom Fach und Betriebsrat, führt an: "Ein Monteur kann sich seine Aufträge nicht aussuchen. Manchmal geht alles flott, manchmal gibt's Probleme. Und die kosten Zeit und Aufwand." Er schätzt, dass es "variabel" höchstens zu einem Taschengeld reicht. Schließlich beginnt die bezahlte Arbeitszeit erst, wenn der Computer läuft und man loslegen kann. Jede Arbeit muss aber vorbereitet werden. Das ist laut Management Privatsache. Und 100 unbezahlte Überstunden pro Jahr wären ein Sahnehäubchen für den Konzern, zusätzlich zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit.

Menschen auspressen wie Zitronen - dieses Bild wird häufig verwandt, wenn es um solche Unternehmensstrategien geht. Es bleibt die Frage: Was hat der Konzern langfristig davon? Entmutigte und ausgelaugte Beschäftigte sollen den Service und das Image der Telekom aufpolieren? Otto Seckler fügt an: "Die technischen Prozesse und die Arbeitsabläufe müssen zuerst verbessert werden." Betrachtet er das Vorgehen des Managements, so treibt ihn eine zusätzliche Sorge um. Sollten in einem gewerkschaftlich gut organisierten Unternehmen diese Maßnahmen Wirklichkeit werden, sind den Begehrlichkeiten in anderen Bereichen Tür und Tor weit offen. "Die Telekom hat hier Pilotfunktion."

Dass es dazu nicht kommt, dafür setzen sich nicht nur die Hessen, aber auch sie, mit aller Kraft ein. Von Kassel bis Darmstadt beteiligen sich die Beschäftigten an Warnstreiks. Ende April fand in Gießen eine Infoveranstaltung mit anschließender Demonstration statt. Und die Hessen sind auch bei der Urabstimmung dabei.

Siehe auch Brennpunkt

Ende März: Der Betriebsrat der Niederlassung BRIEF Kassel begrüßte auf der Betriebsversammlung in Alsfeld Frank Bsirske. Thema: der Fall des Postmonopols. Auseinandersetzungen kündigte Bsirske bei der geplanten Erhöhung der Arbeitszeit für Postbeamt/innen auf 41 Stunden pro Woche an. Der Abbau von Arbeitsplätzen bei Beamten und Tarifkräften wäre die Folge. Die Betriebsgruppe BRIEF Kassel organisierte in Alsfeld eine Kundgebung. Ihr Motto: "Zieht euch warm an!"