Ausgabe 05/2007
So viel Protest war nie
Von Barbara Greyer |Rendite rauf, Löhne runter, Arbeitsplätze weg - Sozialpartner war gestern bei der Telekom
Die Pläne des Telekomvorstandes zur Zerschlagung des Konzerns und die Folgen für die Beschäftigten haben auch in Stuttgart eine Welle von Protesten ausgelöst. Seit Monaten organisiert die ver.di-Betriebsgruppe Telekom zusammen mit Betriebsräten und Vertrauensleuten Aktionen unter dem Motto "Gegen Arbeitsplatzvernichtung, Zerschlagung und Lohndumping". In Mitgliederveranstaltungen, informellen Mittagspausen vor den Türen der Telekom wurden kontinuierlich die aktuellen Entwicklungen diskutiert, mit einer Unterschriftenaktion zur "Belastungswarnung" dem Vorstand die Situation am Arbeitsplatz als Folge des jahrelangen Personalabbaus deutlich gemacht.
Von der Demo zur Landesbezirkskonferenz: Drinnen tritt der Ministerpräsident auf
Gemeinsam mit 13000 Telekomern fuhren 200 Kolleg/innen aus Stuttgart am 28. Februar nach Bonn vor die Konzernzentrale, um gegen die Vorhaben der Telekom lautstark zu protestieren. Weitere Ausgründungen und Verkäufe von Konzernunternehmen wurden dennoch vollzogen. Noch im März wurde die Niederlassung Stuttgart der Telekom-Call Center-Tochter VCS GmbH an ein Call Center-Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe verkauft. Bisher verweigert die Telekom ver.di dort einen Überleitungstarifvertrag, der die Beschäftigten vor massiven Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen als Folge des Verkaufes schützen soll. Demonstrationen am Standort und Vorsprache beim Bundesarbeitsministerium - der Bund ist größter Anteilseigner bei der Telekom AG - blieben bislang ohne Ergebnis.
Auch bei den von den Ausgliederungen in Servicegesellschaften betroffenen Niederlassungen der Telekom AG stehen die Zeichen auf Sturm. Hier wurden in den Verhandlungen ebenfalls drastische Einkommensverluste und massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen angekündigt, die alle bisherigen Angriffe auf Arbeitnehmerkonditionen in den Schatten stellt.
Die Situation spitzt sich zu
Betroffen sind auch die Auszubildenden in Stuttgart. Sie machten mit rund 400 Teilnehmern vor dem DGB-Haus in einer Aktion eindrucksvoll auf ihre Situation im Konzern aufmerksam. Der Sarg, der symbolisch zu Grabe getragen wurde, stand für die Zukunft der Jugend, denn mit den von der Telekom geplanten Einstiegsgehältern haben sie, der Konzern und dieses Land keine Perspektive.
Da die Telekom sich einem Auslagerungsschutz mit ver.di verweigert, spitzt sich die Auseinandersetzung bei der Telekom seit Mitte März zu. Auch in Stuttgart folgten deshalb die betroffenen Beschäftigten dem Streikaufruf zu ganztägigen Warnstreiks. Bis Ende April beteiligten sich allein hier an fünf Streiktagen rund 1300 Mitarbeiter/innen, jeden Tag wurden es mehr. Neue ver.di-Mitglieder wurden besonders herzlich begrüßt. Eine Delegation von 150 Streikenden fuhr nach Friedrichshafen und unterstützte dort eine Aktion des Landesfachbereichs. Die Wut über das Vorgehen "ihrer" Telekom ist groß. Alle sind bereit für eine längere Auseinandersetzung.
Vorläufiger Höhepunkt der Aktionen: Der Einmarsch von rund 100 Streikteilnehmern während des Auftritts von Ministerpräsident Oettinger (CDU) auf der ver.di-Landesbezirkskonferenz. Monika Unbehau, Vorsitzende der Telekom-Betriebsgruppe, forderte Günter Oettinger spontan zur Teilnahme an einer Podiumsdiskussion auf, die der Bezirksfachbereich mit Politikern der Region, Funktionären und Beschäftigten der Telekom AG organisierte, um auf die Lage der Beschäftigten bei der Telekom aufmerksam zu machen.
Pfeifen für fünf Minuten
Außerdem machte Unbehau der Konferenz deutlich, dass sich der Konzern in einer Zukunftsbranche mit seinen Plänen zum Vorreiter in Sachen Niedriglohn mache und deshalb alle Arbeitnehmer/innen betroffen sind. So fand auch am Tag der Hauptversammlung der Telekom wieder ein Warnstreik statt, und wieder legten mehrere hundert Beschäftigte ihre Arbeit in Stuttgart nieder. Sie zogen zusammen mit Reutlinger Kolleg/innen lautstark vom Streiklokal zum Telekom-Verwaltungszentrum in Stuttgart-Bad Cannstatt. Dort pfiffen sie gegen 12 Uhr mit ihren Kolleg/innen aus anderen Konzernunternehmen der Telekom, mit den Beamt/innen sowie Azubis auf einer Solidaritätskundgebung für fünf Minuten auf den Vorstand und seine Pläne.
Siehe auch Brennpunkt