REINER HOFFMANN ist Vize-Generalsekretär des Europ. Gewerkschaftsbundes (EGB)

Der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist es gelungen, den Verfassungsprozess wieder in Gang zu setzen. Das ist zu begrüßen, auch wenn das künftige Abkommen lediglich "Reformvertrag" heißen wird. Von besonderer Bedeutung für die Gewerkschaften ist, dass die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta hergestellt werden soll. Ein Wermutstropfen bleibt die Ausnahmeregelung für Großbritannien. Das ist jedoch verkraftbar, wenn die Charta für 26 EU-Staaten verbindlich wird. Wichtig ist jetzt, dass die Regierungskonferenz nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfindet. Der Europäische Gewerkschaftsbund wird sehr darauf achten, dass nicht weitere Verwässerungen verabredet werden.

Ansonsten fällt die Bilanz gemischt aus. Positiv hervorzuheben ist, dass der makroökonomische Dialog gestärkt und kein Zweifel daran gelassen wurde, dass die aktuelle Tarifpolitik keine Gefahr für die Preisstabilität in der Währungsunion darstellt. Ein klares Signal ging an die Europäische Zentralbank, die stärker ihrer Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung nachkommen muss. Auch bei der Debatte über ein flexibles Arbeitsrecht setzte die deutsche Präsidentschaft positive Signale.

Zur Schattenseite gehört, dass andere, für die Gewerkschaften wichtige Themen nicht angepackt wurden. So ist die EU beim Thema Leiharbeit keinen Schritt vorangekommen. Auch bei der Arbeitszeitrichtlinie gab es keinerlei Fortschritte. Besonders bedauerlich ist, dass das Thema Europäische Betriebsräte (EBR) nicht angegangen wurde. Seit 1999 ist die Revision der EBR-Richtlinie überfällig. Täglich machen Arbeitnehmer die Erfahrung, dass die Handlungsbedingungen für die EBR dringend verbessert werden müssen. Unter der deutschen Ratspräsidentschaft 1994 wurde die Richtlinie seinerzeit verabschiedet. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit für Deutschland gewesen, sich dafür einzusetzen, dass die grenzüberschreitenden Arbeitnehmerrechte in der erweiterten Union und unter den veränderten Bedingungen der Globalisierung gestärkt werden.