DR. LUKREZIA JOCHIMSEN ist Bundestagsabgeordnete für "Die Linke"

"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte." Mit diesem Satz gehen Journalisten an die Arbeit - in den visuellen Medien genauso wie bei der schreibenden Zunft. Die Berichterstattung über den und vom G-8-Gipfel in Heiligendamm war ein Bilder-Tsunami und trug die Desinformation in hohen Wellen übers Land. Woran liegt das? Daran, wie sich Medien heute verstehen und ausrichten. Was ist heute wert, berichtet zu werden?

Erstens: ein Event. Am besten ein sich selbst entwickelndes Großereignis, bei dem es genügt, dass Kameras "draufgehalten", dass Mikros angeschaltet, dass schnelle Beschreibungen in den Laptop getippt werden. Heiligendamm war ein Event im geradezu prototypischen Sinn: Weiß glänzte die Hotel-Kulisse, so weiß wie das Weiße Haus, und erweckte den Anschein von Welt-Politik "ganz von selbst". Wir waren Welt-Politik in Heiligendamm, Gastgeber mächtiger Freunde, und solche Nachrichten nehmen die Deutschen stets begeistert entgegen.

Das ist eine sich selbst erfüllende Nachricht, die so gut wie keiner journalistischen Bearbeitung bedarf. Zum Beispiel nachzufragen: Welche Welt-Politik präsentiert dieser Gipfel? Welche Welt-Politik wird da gemacht? Bilder, Bilder... Die Bilder vom Event, die sich gewissermaßen von selbst produzieren. Da braucht man sich gar nicht bewusst oder unbewusst vom Veranstalter "vor den Karren spannen" zu lassen - als Presse zieht man den Karren vom ersten bis zum letzten Moment des Ereignisses ganz von selbst.

Zweitens: ein Drama. Da es eine breite Gegnerschaft zum Gipfeltreffen gab, konnte von Anfang an auf das Element des Dramas gesetzt werden: Da war der Zaun, da war die Polizei in Armee-Stärke, da waren Demonstranten. Da waren die Boote von Greenpeace. Da waren die Tornados: Bilder, Bilder... Wichtig dabei: Die Gegner waren nur Teil des Dramas und seiner Inszenierung, Objekte und nicht Subjekte der Berichterstattung. Es gab keine faire, gleichberechtigte Darstellung, weil die Gegner eine Rolle zu spielen hatten im Welt-Politik-Spektakel. Weil die Form der Berichterstattung mittlerweile ihre Inhalte bestimmt, verschwindet die Wahrheit aus den Nachrichten.