Paul McCartney: Memory Almost Full

Paul McCartney hat es nicht gerade leicht. Jedes neue Album, das der gute Mann herausbringt, wird mit den musikalischen Großtaten der Beatles verglichen, mit Musik also, die zu der anerkannt besten zählt, die jemals produziert worden ist. Deshalb wird auch Memory Almost Full, das neue Album des englischen Sängers und Multi-Instrumentalisten, womöglich mehr Kritiker als Freunde finden. Überhaupt konnten sich die Solo-Alben des 1942 geborenen McCartney – eine Ausnahme war Chaos And Creation In The Backyard aus dem Jahr 2005 – selten ungeteilten Zuspruchs erfreuen. Und auch beim Hören von Memory Almost Full wechseln Euphorie, Elan und Enttäuschung: Manches auf dem neuen Album klingt ein wenig kraftlos, Balladen folgen auf schnelle Rocker wie Only Mamma Knows, echte Ohrwürmer auf Kompositionen, die zu den schlechteren zählen, die McCartney bisher veröffentlicht hat. Da gibt es surreale, experimentelle Momente etwa in Mr. Bellamy oder Vintage Clothes, aber auch sommerlich-entspannte Pop-Songs wie See Your Sunshine. Dann hören wir wiederum ganz erstaunliche Rückblicke in die (eigene) Musikgeschichte mit den Fab Four und, ganz zum Schluss, mit The End Of The End sogar ein Lied über den Tod. Ein anderes dagegen, That Was Me, erzählt von Paul McCartneys Jugend in Liverpool. „Die Leute können sich oft besser an ihre Kindheit erinnern als daran, was vor einem Monat war. Vielleicht weil diese Erinnerungen sie geprägt haben. Für den Song That was me musste ich also nur zurückblicken und sofort war ich wieder in Liverpool“, so McCartney. Und so ist das 21., von David Kahne produzierte Studio-Album von Paul McCartney ein vielseitiges, emotionales Opus voller Höhen und Tiefen, voller Glück und Melancholie – aber auch mit ein wenig Füllwerk dazwischen. Ein Werk übrigens, das an keiner Stelle der 13 Songs von den Turbulenzen im Rosenkrieg McCartneys erzählt. Sämtliche Stücke sind bereits vor der Trennung von Ex-Ehefrau Heather Mills entstanden. „Ich überlegte mir, was meine neuen Tracks zusammenfassen könnte“, erklärt McCartney den Titel des Albums, „und kam auf Memory Almost Full. Ein Satz, der in meinen Augen das moderne Leben umschreibt – in der heutigen Zeit können unsere Gehirne schnell überladen werden.“ MARC PESCHKE CD, CONCORD/UNIVERSAL


Carel Kraayenhof y su Sexteto Canyengue: Tango Heroes

Inzwischen ist Carel Kraayenhof selbst beinahe ein Held des Tango. Immerhin 500 Millionen verfolgten auf ihren Bildschirmen, wie er im Februar 2002 anlässlich der niederländischen Prinzenhochzeit Piazzollas berühmtes Adios Nonino intonierte. Der 48-jährige Niederländer weiß, was er Tangohelden wie Osvaldo Pugliese und Astor Piazzolla zu verdanken hat. Denn sie waren es, die den jungen Bandoneónisten nach seiner Zeit als Punk und Folk-Akkordeonist in die Magie des Tango Argentino einweihten. Erstmals gibt sich Kraayenhof hier auch als Komponist neuer Tangos die Ehre. Und da braucht er sich hinter den argentinischen Idolen nicht zu verstecken. Im Gegenteil, mit seinem bestens eingespielten Sexteto Canyenge liefert er nicht nur den Beweis, dass es die für den argentinischen Tango unabdingbaren Elemente wie konzertante Disziplin, rhythmische Raffinesse und eruptive Leidenschaft auch weit weg von Buenos Aires gibt. Den Schmelz der Geigen, das Seufzen des Bandoneóns, das Stampfen von Kontrabass und Klavier und die gespannte Atmosphäre der Tango-Cafés von Buenos Aires zaubert Tango Heroes nun auch in die heimische Stube.RIX

CD, UNIVERSAL CLASSICS


Lady Saw: Walk Out

Auch wenn die Sonne scheint, das Klima ist rau, die Konkurrenz hart und eiskalt im Reggae-Business auf Jamaika. Frauen haben in der Machowelt des Dancehall kaum eine Chance. Aber Marion Hall alias Lady Saw hat sich nicht nur in ihrer Heimat behauptet. Sie gehört längst zur internationalen Liga zwischen Shaggy, Sly & Robbie und Sean Paul. Die ersten Gagen für ihren Gesang bekam sie als Fabrikarbeiterin von Kollegen zugesteckt. Mit dem Talent aber muss der Teenager in die Hauptstadt, nach Kingston. Sie ist vielseitig, singt Lovers Rock, kann rappen und interpretiert sogar Country & Western-Songs. Aber erst, als die Göre vom Land sich den harten, teils obszönen Stil ihrer männlichen Konkurrenten aneignet, gleichzeitig aber weibliche Aspekte in Texten und Gestik vermittelt, wird sie respektiert und hat Erfolg. Der hält bis heute an. Etliche Nummer-Eins-Hits und zahlreiche Preise pflastern ihren Karriereweg. Die dreifache Adoptivmutter leitet zudem ihre eigene Produktionsfirma. Auf ihrem nunmehr sechsten Album zieht die "First Lady" oder auch "Queen of Dancehall" wieder alle Register ihres Könnens: vom heftigen Dancehall-Brett über melodiösen Reggae und funkelnden R 'n' B bis zum Rockabilly-Twist. VICK

CD / VP RECORDS / GROOVE ATTACK