Zwei Sechzehnjährige skaten gegen Sozialabbau

Von Claudia von Zglinicki

Sommerferien der anderen Art: Dennis Schmidt (l.) und Adrian Löffler fuhren in drei Wochen von Augsburg nach Leverkusen - auf dem Board

1000 Kilometer auf dem Skateboard. Durch Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, zwischen Augsburg und Leverkusen. Drei Wochen über Landstraßen und Feldwege. In der ersten Woche tun die Füße weh, in der dritten ist man nur noch müde. Muss man sich das antun? Adrian Löffler und Dennis Schmidt, Schüler der elften Klasse aus Leverkusen und Köln, hielten das für eine gute Idee. "Wenn ich schon nicht mit der Familie verreisen konnte, dann wollte ich skaten", sagt Adrian.

Die Reise von Adrians Vater Norbert und seiner Familie fiel aus, weil der Arbeitsplatz des Werkschutzfachmanns bei Bayer Industry Services im Juni noch in Gefahr war. Da blieb man besser zu Haus. Adrian fragte sich bei der Gelegenheit zum ersten Mal, ob es überall in Deutschland so sei. Dass eine fünfköpfige Familie nicht verreist, sondern spart, weil Arbeitslosigkeit droht. "Finde das doch selbst raus", schlug sein Vater vor. "Fahr los und frag, wie es woanders aussieht!"

Die Idee war da: Skaten mit Dennis, den Adrian fragte, ob er mitmacht. "Es musste ein guter Skater sein, und wir mussten drei Wochen lang ständig zusammen sein. Da kam nur Dennis in Frage. Unterwegs wollten wir mit Leuten reden und Unterschriften sammeln, gegen Sozialabbau, für Arbeit und Mindestlohn. Nebenbei zeigen, dass die Jugend nicht bloß rumhängt." Die Unterschriften überreichten sie am Ende der Tour dem Chef von Bayer Industry Services, dem Bereich des Chemiekonzerns, in dem Ausgliederung und Entlassungen drohten. Adrian erzählt: "Erst testeten wir bei Trainingsfahrten: Schafft man das überhaupt, 70, 80 Kilometer am Tag? Dann noch ein bisschen an den Boards rumschrauben, kleines Gepäck packen - vor allem Ersatzteile - und los!"

Der Start in Augsburg

"Auf der Karte hatten wir einen Zickzackkurs ausgesucht, nicht mehr als 70 Kilometer pro Tag, um abends nicht tot umzufallen. Zickzack, weil wir uns nach den Jugendherbergen richten mussten. Wir brauchten billige Übernachtungen - und Sponsoren, schon für die Boards und die richtigen Rucksäcke, an denen man die eingewickelten Bretter bei Regen befestigen kann, denn Skaten im Regen geht nicht. Allein so ein Rucksack kostet um die 70 Euro."

Das Geldproblem. Rückblickend wissen alle Beteiligten, dass die Aktion ohne finanzielle Unterstützung 1500 Euro gekostet hätte. Norbert Löffler startete die Sponsorensuche. Am wichtigsten waren seine Kontakte als Betriebsrat zu "den Berlinern" - Betriebsräten des Berliner Pharma-Unternehmens Schering, das von Bayer Leverkusen übernommen wurde. Die Berliner boten die Website und technische Hilfe an, weil das Projekt sie beeindruckte. Auch Skater-Läden und Jugendherbergen halfen, Bäckereien, Jugendorganisationen - und Neugierige, die von dem Projekt gehört hatten und etwas dafür tun wollten, ganz privat.

"Der erste Tag war der beste! Wir fuhren von Augsburg nach Donauwörth, noch voller Energie, schnell und: Es regnete nicht! Der zweite Tag war der schlimmste. Erst fanden wir nicht aus Donauwörth raus und drehten uns im Kreis, dann sind wir durch Felder gelaufen, weil es regnete und wir nicht skaten konnten. Unterwegs kamen wir durch Dörfer, in denen nicht mal eine Bäckerei war. Am Abend waren wir bestimmt 100 Kilometer unterwegs gewesen, ohne zu essen. Wir versuchten zu trampen, aber die Leute fahren einem fast den Daumen ab, rasen wie die Verrückten und halten nicht. Wir waren nahe dran, aufzugeben, als endlich ein Fahrer stoppte."

Den Skatern was beweisen

Aber auch ohne ihn hätten sie nicht aufgehört. Sie wollten es auch früheren Freunden beweisen, Skatern wie sie. Als die von dem Projekt gehört hatten, reagierten sie "ganz verrückt. Skater setzen sich nicht für eine Sache ein, schon gar nicht für Politik, hieß es. Wir wurden übel beschimpft, aber immer nur per Mail, nie offen. Mein Vater hat versucht, mit ihnen zu diskutieren, darauf ließen sie sich nicht ein. Erst als er mit einer Anzeige drohte, entschuldigten sie sich. Jedenfalls konnten wir schon ihretwegen nicht aufgeben". Nicht mal als Adrian kurz vor Mosbach fast von einem Auto erwischt wurde. Er konnte gerade noch abspringen. Doch nach dem Schreck kam Mosbach, wo die Jungen in die ver.di-Bildungsstätte eingeladen wurden. Adrian erzählt: "Einzelzimmer, das war der Luxus! Und Leute, die unser Anliegen unterstützten. Billard spielen, mal nicht skaten. Wir wären gern noch einen Tag länger dort geblieben, aber dann hängt man in der Ruhephase und der Muskelkater fängt an. Also früh weiter. Wenn wir uns mal was Gutes tun wollten, stellten wir den Wecker erst auf sieben."

Super-Dad: Norbert Löffler

Dass ihre Rucksäcke 15 Kilo wogen, merkten die Jungen unterwegs bald. Dass man sich auch auf die Nerven geht, wenn man ständig zusammen ist; dass man anfängt, zu streiten, wer jetzt die Flasche Duschgel mitschleppt. Aber das ließ sich vergessen, wenn wieder Unterstützer auftauchten. So wie Carina Bätz in Bad Honnef. "Das war der Hammer! Sie hatte von unserem Vorhaben gehört und meinte, Bad Honnef solle nicht in schlechtem Licht stehen. So organisierte sie für uns den Empfang beim Bürgermeister, eine Massage, einen Bäckereigutschein...

Wir waren begeistert. Zumal Leute, die wir auf der Straße ansprachen, oft nicht mit uns reden wollten. Sie sahen nur zwei abgerissene Gestalten. Was hatten sie mit denen zu schaffen?"

Der Abschluss

Auf ihrem Weg fanden Adrian und Dennis heraus, dass nicht nur in Leverkusen Jobs bedroht sind. Von der Bosch-Jugend in Murrhardt erfuhren sie, dass dort nur fünf Prozent der Lehrlinge übernommen werden. Da füllte sich die Unterschriftenliste schnell.

Nach drei Wochen Straße endlich wieder Leverkusen, mit Empfangsparty. Norbert Löffler kündigte die Jungen auf der Bühne an, dann rollten sie auf die Wartenden zu. Adrian sagt: "Ein tolles Gefühl, mit Riesenapplaus empfangen zu werden. Es war ein ungewöhnlicher Urlaub. Am nächsten Tag bin ich schon wieder geskatet."

2008 soll es weitergehen. Eine Sternfahrt, wieder auf Boards, mit mehr Skatern als im regnerischen Sommer 2007.

www.skaterjungs.sagbaybay.de

Die Tour-CD kann zum Selbstkostenpreis bestellt werden: noloe@web.de