"Viva con Agua de Sankt Pauli" ist kein normaler Verein. Als offenes Netzwerk hat der ehemalige St. Pauli-Kicker Benjamin Adrion das Projekt konzipiert, in dem sich jeder engagieren und Geld für Wasserprojekte in aller Welt sammeln kann

Benjamin Adrion (li.) und Tobias Rau (re.) bringen Wasserpumpen und ein Transparent nach Ostafrika

"Letzte Woche fiel Christian fast vom Stuhl, als er morgens die Post öffnete", erzählt Benjamin Adrion, Ex-Spieler vom Hamburger Fußballverein St. Pauli. "Satte 18000 Euro, die Fernsehkommissar Jan Fedder bei einer Quizshow gewann, hat er Viva con Agua gespendet." Die Augen des 26-Jährigen leuchten vor Freude, denn nach knapp zwei Jahren Vorbereitungen erntet die "Viva con Agua"-Crew die Früchte ihrer Arbeit.

Anfang September gingen die ersten Hamburger Wassertage zu Ende und schon spekulieren die anderen Wasseraktivisten Christian, Tobi und Miriam darüber, ob bei der Neuauflage im nächsten Jahr nicht der Musiker Jan Delay mit von der Partie sein könnte. "Statt 5000 wie bei diesen Wassertagen wollen wir dann 50000 Besucher begrüßen und noch mehr Spenden einnehmen", sagt Christian Wiebe. Er ist einer der fünf Daueraktivisten, die in der Zentrale von "Viva con Agua de Sankt Pauli" täglich für den guten Zweck ackern. Und das zahlt sich langsam aus. 30000 Euro an Spenden erbrachten die ersten Hamburger Wassertage, ein buntes zweiwöchiges Kulturfestival mit Konzerten, Kino, Lesungen und dem obligatorischen Kick auf dem grünen Rasen.

Solidarität im Zeichen des Wassertropfens

Die Idee zum Wasserprojekt kam Benjamin Adrion als Noch-Regionalligaspieler des FC St. Pauli beim Trainingslager 2005 auf Kuba. "Dort habe ich gesehen, dass die Wasserversorgung in Kindergärten, Schulen und Sportstätten alles andere als optimal war." Zurück in Hamburg rief der Fußballer bei der Deutschen Welthungerhilfe an und schilderte, was er sich vorstellte. Trinkwasserspender in 150 Kindergärten Havannas wollte er aufstellen. Den Namen für das Projekt, "Viva con Agua de Sankt Pauli", hatte er da schon ausgebrütet. Doch als die Experten der Hilfsorganisation dann die Finanzkalkula- tion machten, schlotterten Adrion erst mal die Knie. "50000 Euro? Wo soll ich die denn hernehmen?", fragte sich der aus Stuttgart stammende St. Pauli-Kicker.

Dann begann er zu rotieren. Kulturevents, Konzerte, Spendenmarathons und dergleichen wurden von Adrion und seinen Freunden organisiert. Erfolgreich, denn das Kubaprojekt ist längst abgeschlossen, die 50000 Euro sind überwiesen und die Wasserspender im Einsatz.

Kein Grund für Adrion jetzt innezuhalten und sich wieder der Lederkugel zu widmen. Aus dem Projekt "Viva con Agua" ist längst ein ordentlich eingetragener Verein geworden. Seit gut einem Jahr wirbt Adrion quasi hauptberuflich für Solidarität im Zeichen der von einem Wassertropfen umgebenen Erdkugel, dem Logo von "Viva con Agua de Sankt Pauli". Gesammelt wird nicht mehr für Kuba, sondern für den Brunnenbau in Afrika und wie gehabt wird dabei mit der Deutschen Welthungerhilfe kooperiert. "Deren Experten koordinieren die Arbeit, wir liefern das Geld", erklärt Ad-rion und streift mit einer Hand durch den dunkelblonden Siebentagebart.

50000 Euro für den Bau von fünf Brunnen in dem äthiopischen Dorf Sodo wurden Ende Juli überwiesen. Dort gehen die Bauarbeiten zügig voran, so berichtet der Afrika-Repräsentant der Welthungerhilfe Hans Bailer. Für die Bauarbeiten im nächsten von insgesamt sechs so genannten Millenniumsdörfern der Welthungerhilfe in Afrika, die auf der Liste der Hamburger Brunnenbauer stehen, liegt der Überweisungsträger schon bereit.

Minagri heißt das Dorf im westafrikanischen Benin, und die nötigen 30000 Euro für den Bau von fünf Brunnen haben die Hamburger Wassertage, beziehungsweise die Erlöse aus Konzerten, Partys, Kino-, Tanz- und Theatervorstellungen erbracht. Ohne die Hilfe von rund 60 Freiwilligen hätte die Viva con Agua-Crew, deren Büro passenderweise in der Großen Brunnenstraße liegt, das zweiwöchige Mammutprogramm nie organisiert bekommen.

Schulklassen laufen für Spenden Marathon

Mitmachen ist Teil des Konzepts und Initiator Benjamin Adrion freut sich schon auf den Tag, wenn er sein Gesicht nicht mehr in die Kamera halten muss. "Wir sind ein offenes Netzwerk und jeder kann mitmachen, eigene Ideen einbringen und umsetzen", erklärt der Sonnyboy. Den Profifußball hat er an den berühmten Nagel gehängt. Er kickt nur noch in der 2. Mannschaft seines Traumvereins. Der hat ihn von Beginn an beim Wasserprojekt unterstützt und das Viva con Agua-Logo prangt auch auf der Vereins-Homepage.

Und Adrion freut sich über die Welle der Euphorie, von der Viva con Agua getragen wird. Da laufen Schulklassen bei Spendenmarathons stattliche Summen für den Brunnenbau in Afrika ein, strampeln Wasser-Aktivisten Geld sammelnd auf dem Drahtesel gen Süden und greifen Bands für den guten Zweck in die Saiten. Selbst der gerade erst vorgestellte "Viva con Agua"-Song ist aus Solidarität komponiert und eingespielt worden. Soviel Engagement und Unterstützung bleiben nicht unbemerkt: Die Wasseraktivisten aus Hamburg St. Pauli haben mittlerweile eine ganze Reihe von Auszeichnungen aus Politik und Gesellschaft vorzuweisen.

Das freut natürlich auch die junge Wassercrew. Die hat bisher komplett unentgeltlich gearbeitet. Nur ist das auf lange Sicht kaum realistisch. Von irgendetwas muss das Wasserquintett, das täglich im Büro aufkreuzt, schließlich leben. "Zwei bis vier feste Stellen wären langfristig vonnöten, um die Arbeit von Viva con Agua zu gewährleisten", kalkuliert der kickende Wassermann. Ihm reicht die staatliche Entwicklungspolitik hinten und vorn nicht aus.

"Wir setzen darauf, dass die Leute in Deutschland selbst aus dem Quark kommen und ach- ten darauf, dass die Menschen vor Ort selbst mitarbeiten", sagt Adrion. Er sprudelt vor Ideen und das eigene "Viva con Agua"-Wasser, welches demnächst in den Regalen der ersten Geschäfte stehen soll, ist nur ein Beispiel dafür.

Perspektive sieht Adrion auch darin, Prominenten wie Nationalspieler Kevin Kurányi - den er noch aus der Stuttgarter Fußballjugend kennt - dabei zu helfen, sich sozial zu engagieren. Etwa für die Wasserreise nach Äthiopien, Benin und Burkina Faso, die derzeit vorbereitet wird. Die fertigen Brunnen sollen in Augenschein genommen und das nächste Milleniumsdorf, Kongoussi in Burkina Faso, besucht werden.

Das Spendenkonto ist voll, auf dem Geschäftskonto ist Ebbe

Doch die Frage, woher das Reisegeld für die Wassercrew kommen soll, ist ungeklärt. "Das Spendenkonto ist voll, auf dem Geschäftskonto herrscht jedoch Ebbe", schildert Adrion das Dilemma. Das will der Wassermann aus Hamburg St. Pauli als nächstes lösen. Private Mäzene sucht er, um die Crew von "Viva con Agua de Sankt Pauli" langfristig über Wasser zu halten.

www.vivaconagua.org