Auf dem 2. ordentlichen ver.di-Bundeskongress haben 1008 Delegierte politisch entschieden: für bessere und sichere Arbeit - und gegen den Finanzmarktkapitalismus

Zwei von 1008: Brünhilde Erbstößer und Benny Möller aus Erfurt

Klare Ziele, konkrete Perspektiven. Die 1008 Delegierten des 2. ordentlichen ver.di- Bundeskongresses Anfang Oktober in Leipzig haben die Leitlinien der ver.di-Politik für die kommenden vier Jahre festgelegt. Eindeutig positionierte sich der Kongress gegen die neoliberale Politik. "Wir sind entschlossen, unsere Fahne nicht in den neoliberalen Wind zu hängen, sondern uns ihm entgegenzustellen", sagte ver.di-Chef Frank Bsirske unter dem Beifall der Delegierten. Und an die gerichtet, die nicht müde werden, die Gewerkschaften als unzeitgemäße Nein-Sager zu titulieren, fügte er hinzu: "Wir sind nicht gegen Veränderung, aber wir messen sie an unseren Grundwerten: Gerechtigkeit, Würde, Solidarität." Das war zugleich das Motto des Kongresses.

Für ein ganzes Arbeitsleben

Scharf kritisierten die Delegierten so genannte prekäre Beschäftigung wie unsichere, befristete, unterbezahlte Arbeitverhältnisse und die Leiharbeit. Sie bekräftigten die ver.di Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Und ver.di wird nicht bei 7,50 Euro stehen bleiben. Elke Hannack, für den Bereich Sozialpolitik neu in den ver.di-Bundesvorstand gewählt, rief dem Kongress zu: "Ich sage hier ganz deutlich, auch an die Politiker: 7,50 Euro sind erst der Anfang! Das ist nicht das Ende der Diskussion." Anhaltender Beifall.

Gegen den entfesselten Finanzmarktkapitalismus forderten die Delegierten eine Neugestaltung der Regulierung und schärfere Kontrollen der Finanzmärkte. "Der Wert der menschlichen Arbeit wird in dieser Entwicklung ausschließlich vom aktuellen Marktwert und der Börsenentwicklung abhängig gemacht", heißt es in dem Beschluss. "Gegenüber dieser Unterordnung unter das Diktat von Markt und Profit fordern wir den nachhaltigen Umgang mit dem menschlichen Arbeitsvermögen ein - und zwar über das ganze Arbeitsleben hinweg", sagte Bsirske.

Auf die Auseinandersetzung um bessere Arbeitsbedingungen wird ver.di in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt legen. Für "gute Arbeitsbedingungen, die gesundheits- und entwicklungsförderlich sind, statt krank zu machen", heißt es in dem Beschluss. Denn, so Frank Bsirske, "entgegen der Prophezeiung einer schönen neuen Arbeitswelt haben sich die Arbeits- und Leistungsbedingungen verschärft. Alte Belastungen sind geblieben, neue sind hinzugekommen." Und das nicht nur im Niedriglohnbereich: "Auch dort, wo Menschen in hoch qualifizierten und gesicherten Verhältnissen stehen, überschreiten die Arbeits- und Leistungsbedingungen immer häufiger die Grenze des Zumutbaren", sagte Bsirske. Künftig wird ver.di regelmäßig im Detail erheben, wie die Beschäftigten ihre Arbeit beurteilen und welche Ansprüche sie an gute Arbeit stellen. Ihre Kritik und Wünsche will ver.di bündeln und zur Grundlage des gewerkschaftlichen Handelns machen.

Spürbar war auf diesem zweiten Bundeskongress, dass die fünf Traditionsgewerkschaften, die sich vor sechs Jahren in ver.di zusammengeschlossen haben, zu einer neuen Gewerkschaft zusammen gewachsen sind. Als Frank Bsirske, mit 94,3 Prozent erneut zum Vorsitzenden gewählt, seine Grundsatzrede mit dem Satz schloss: "Wir können die Welt verändern, Kolleginnen und Kollegen. Ja, wir können die Welt verändern", klatschten die Delegierten stehend Beifall. Er hatte die Stimmung dieses Kongresses auf den Punkt gebracht. Eine Aufbruchstimmung, nicht in euphorischer, aber in zuversichtlicher Entschlossenheit.

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