Hessische Delegierte griffen ins Geschehen ein

In drei wichtigen gewerkschaftspolitischen Fragen konnte der Kongress überzeugt werden

Die Hessen auf der Kongressbühne

Noch nicht einmal zehn Prozent der Delegierten zum 2. ver.di-Bundeskongress Anfang Oktober in Leipzig stammten aus Hessen. Kann eine kleine Schar von 79 unter mehr als 1000 Delegierten überhaupt etwas bewirken? Sie konnten. Bei drei wichtigen Themen haben sie Zeichen gesetzt.

Punkt 1: Kritischer Umgang mit der Bertelsmann-Stiftung. Die Antragskommission wollte einen entsprechenden Antrag nur als Material empfehlen. Das war den Hessen zu unbestimmt. Karsten Arendt vom ver.di-Bezirk Frankfurt plädierte dafür, ihn als handlungsleitend zu beschließen, "weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass eine kritische Prüfung der Grundlagen einer Zusammenarbeit mit der Bertelsmann-Stiftung und der von ihr gesteuerten Unternehmen zu einem anderen Ergebnis führen kann als zum Abbruch der Beziehungen und zur vollständigen Abgrenzung von den Zielen und der Ideologie dieses Vorreiters und Strippenziehers neoliberaler Privatisierungspolitik". Der Antrag wurde angenommen.

Sybille Lust, stellvertretende Landesleiterin, formuliert die gewerkschaftliche Sicht so: Ziele und Ideologie der Bertelsmann-Stiftung stehen im offenen Widerspruch zu gewerkschaftlichen Zielsetzungen und Forderungen. Die Bertelsmann-Stiftung ist Eigentümerin des Bertelsmann-Konzerns. Über die Stiftung transportiert der Konzern die Ideologie, dass der Sozialstaat zurückgedrängt werden muss. Zielgruppe sind hierbei besonders die kommunalpolitischen Meinungsführer und Entscheidungsträger. Hinter den Kulissen gehört der Bertelsmann-Konzern zu den Verantwortlichen bei Privatisierungen, formuliert Politiker/innen sogar Gesetzestexte in die Feder.

Keineswegs sind aber nur die Beschäftigten im kommunalen Bereich vom Einfluss der Bertelsmann-Stiftung betroffen. Die Stiftung ist auch auf internationaler Ebene operativ tätig. Ihre Produktpalette umfasst neben der Kommunalpolitik Bereiche der Innen-, Justiz-, Steuer-, Sozial-, Umwelt- und Bildungspolitik. Das bedeutet: Es geht um einen grundlegenden Umbau bis hin zur Auflösung öffentlicher Strukturen an sich. Erfahrungen aus England deuten darauf hin, dass auch in Deutschland über Firmen der Bertelsmann AG im Zusammenwirken mit der Stiftung das Feld für den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge bestellt werden soll.

Punkt 2: Private Public Partnership. Zum vorgenannten Thema besteht ein enger inhaltlicher Zusammenhang. ver.di Hessen ist bekannt für eine unmissverständliche Haltung - Ablehnung solcher Projekte als eine schleichende Privatisierung. Auf der Hessen-Seite haben wir am Beispiel des Landkreises Offenbach berichtet, wie die Kommunen bluten müssen und die Spielräume kommunaler Entscheidungsträger eingeschränkt sind. PPP-Projekte müssen deshalb abgelehnt werden. Dem folgte schließlich auch die Mehrheit der Delegierten.

Punkt 3: Frauengleichstellung. Da hielt der Kongress doch den Atem an, als beim Thema Frauenquote plötzlich Männer das Podium "besetzten", vor allem mit Hessen. Jürgen Johann, Bezirk Südhessen, nahm so Stellung: "Die Mindestquote hat die Frauen in ver.di stark gemacht, aber auch die Männer. Sie hat uns alle stärker gemacht gegen die Arbeitgeber und gegen unsere wahren Gegner." Das Tagesprotokoll vermerkt: starker Beifall, Jubelrufe der Delegierten.ReB