Im Einzelhandel ist die Streikwelle so groß wie noch nie. Wenn's sein muss, wird erstmals auch das Weihnachtsgeschäft bestreikt

Die Stuttgarter Innenstadt gehört den Streikenden

Streiks im Weihnachtsgeschäft waren bisher im Einzelhandel fast undenkbar. Undenkbar war aber bisher auch, dass die Arbeitgeber alle Zuschläge streichen wollen. Seit März verweigern sie jegliches Angebot für eine Lohn- und Gehaltserhöhung und das bei ohnehin niedrigen Löhnen im Einzelhandel. Die Antwort der Beschäftigten seit Oktober ist eine wachsende Streikwelle, bei der Stuttgart und die umliegenden Kreise die Spitze der Bewegung bilden. Und erstmals werden auch längere Streiks im Weihnachtsgeschäft geplant und vorbereitet. "Die Streiks sollen Wirkung erzielen und das tun sie am besten in der Zeit, in der der Einzelhandel seinen größten Umsatz macht", so Christian Paulowitsch, zuständiger ver.di-Bezirkssekretär.

Bereits im Oktober und November gab es in der Stuttgarter Innenstadt eine bisher noch nie da gewesene Streikbewegung. Erstmals wurde bei IKEA in Ludwigsburg und Sindelfingen gestreikt. Karstadt Leonberg war am gleichen Tag dabei. Circa 1000 Beschäftigte streikten vom 25. bis 27. Oktober in Stuttgart und im Kreis Böblingen. Eine solch große Streikversammlung mit anschließender öffentlicher Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz hat es im Einzelhandel bis dahin noch nicht gegeben.

Die Stuttgarter Königstraße gehörte den Streikenden. Vor allen Kundeneingängen gab es lautstarke Streikversammlungen, die Kunden wurden darüber informiert, wie die Einzelhändler ihre Beschäftigten behandeln. Viele hatten Verständnis für die Streikenden und ihre Forderungen. Mehrere hundert Streikende im Kreis Böblingen waren mit dabei und begeistert.

Auf der gemeinsamen Streikversammlung wurden die weitere Vorgehensweise beschlossen und Ideen für die Fortsetzung des Arbeitskampfes gesammelt. Eine neue Streikkultur entsteht auch im Einzelhandel.

Hohe Streikbeteiligung nimmt die Angst

Auch im Rems-Murr Kreis und im Kreis Ludwigsburg streikten die Beschäftigten zahlreicher Betriebe Anfang November gleich für zwei Tage. Verschiedene weitere Betriebe in Stuttgart und Böblingen schlossen sich ihnen an (s. Kasten). Die Streikenden ermutigen sich gegenseitig und sorgen dafür, dass die Streikwelle nicht abbricht.

Von Tag zu Tag verlieren die Streikenden ihre Angst immer mehr. Streiken ist ein Grundrecht. Niemand darf deshalb benachteiligt werden. Trotz dieser klaren Rechtslage werden viele Beschäftigte immer wieder verunsichert. Die Solidarität und die überwiegend sehr hohe Streikbeteiligung nimmt jedoch die Angst und stärkt das Selbstbewusstsein.

"Wir lernen im Einzelhandel gerade, dass wir solange kämpfen müssen, bis wir ein befriedigendes Ergebnis haben", sagt die Betriebsrätin in einem der Stuttgarter Betriebe, die bestreikt werden.

Hier haben wir schon gestreikt

22.10.: Ikea Ludwigsburg und Ikea Sindelfingen, Karstadt Leonberg

25. - 27.10.: Real Böblingen-Hulb, Real Böblingen Röhrerweg, Real Sterncenter, H&M Sindelfingen, Handelshof Sindelfingen Schwertstraße, Kaufhof Königstraße, Kaufhof Eberhardstraße, Kaufhof Bad Cannstatt, Karstadt Stuttgart-Mitte und Karstadt Sport, H&M Königstraße 14, 38 und 42, Sport Scheck, mehrere Rewe- Filialen (Donnerstag, 25.10. in Stuttgart und Freitag, 26.10. in Böblingen), drei Tengelmann-Filialen am 25.10., C & A am 25. und 26.10.

29.10.: H&M Königstraße 14, 38 und 42

2. + 3.11.: Handelshof Korntal-Münchingen, Handelshof Untertürkheim, Kaufland Möhringen, Kaufland Schorndorf, Hornbach Remseck, Real Böblingen Hulb, H&M Königstraße 14, 38 und 42, Karstadt Ludwigsburg am 2.11., H&M Sindelfingen am 3.11.