Lesben mit Migrationshintergrund müssen mit ihrem Coming Out nicht nur Angst vor ihren Familien haben, sondern sich auch Sorgen um den Arbeitsplatz machen. Das Netzwerk LesMigras hilft den Frauen und ihren Angehörigen

Magda Danielewicz* kommt aus Polen und lebt seit 18 Jahren in Deutschland. Sie kann immer noch nicht riskieren, ihren wirklichen Namen in einer Zeitung veröffentlicht zu sehen. Als sie mit 23 Jahren aus Polen wegging, war sie unglücklich. "Ich wusste, es musste einen Platz geben, wo man offener leben kann als in Polen." Die ersten Lesben, die sie in einer Disko sah, begeisterten sie. Mit viel Power reiste sie zu ihrem nächsten Besuch nach Polen. "So viele Jahre versteckt. Und dann hatte ich das Gefühl, hinter mir stehen ganz viele Frauen." Die Reaktion ihrer Familie auf ihr Coming Out war nicht so negativ wie gefürchtet. Ein Schulterzucken. Und danach Desinteresse. "Es ist klar, dass ich mit Frauen lebe, mehr wollen sie nicht wissen."

Am Arbeitsplatz diskriminiert

Magda Danielewicz hat Diskriminierung nach ihrem Coming Out nicht in Polen, sondern in Deutschland erlebt. An ihrem Arbeitsplatz. "Ich arbeite mit Jugendlichen, wo ich mich geoutet habe. Und da sind abwertende Bemerkungen gekommen und es zielte auf beides, meine Herkunft und mein Lesbischsein. Ich habe schon vorher von lesbischen Bekannten komische Kommentare über mein Herkunftsland gehört. Da bekam ich den Rassismus mit, die Vorbehalte, die man gegenüber Polen hat. Aber bei der Arbeit habe ich beides kompakt von den Jugendlichen abgekriegt. Ich war die Projektionsfläche von Rassismus und Lesbenfeindlichkeit." Gefeuert würde sie hier in Deutschland als lesbische Pädagogin nicht werden, so wie es kürzlich in Polen einer lesbischen Lehrerin nach ihrem Coming Out erging. Aber diese mehrfache und subtile Diskriminierung sei auf Dauer zermürbend, sagt Magda Danielewicz.

SEMINAR

Mehr Akzeptanz am Arbeitsplatz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung von Menschen u.a. wegen ihrer sexuellen Identität. Was bedeutet dieses neue Gesetz für mich und was verändert sich dadurch an meinem Arbeitsplatz? Im beruflichen oder öffentlichen Alltag begegnen wir immer wieder stereotypen Bildern über homosexuelle, bisexuelle oder transsexuelle Menschen. Jedoch: Werden diese Bilder der jeweiligen Persönlichkeit und der Realität gerecht? Warum werden homo-, bi- und transsexuelle Menschen auf ihre Sexualität reduziert? Was kann ich tun, um im Kollegenkreis nicht in eine Außenseiterrolle zu gelangen? In dem Seminar "Wege zu mehr Akzeptanz von homosexuellen, bisexuellen und transsexuellen Menschen am Arbeitsplatz" geht es um diese Fragen. Dazu gehört es, Absichten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu verdeutlichen, Erfahrungen auszutauschen, Handlungsmöglichkeiten für ein diskriminierungsfreies Miteinander zu erarbeiten.

28. 8. - 31. 8. 2008, ver.di-Bildungsstätte "Clara Sahlberg" Berlin, Veranstalter: ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Anmeldungen per Mail anbock@verqueer.de

Der Job steht auf dem Spiel

Leider gab es damals, bei ihrem Coming Out am Arbeitsplatz, noch kein Netzwerk für lesbische Migrantinnen und Schwarze Lesben, bedauert Magda Danielewicz. Seit 1998 gibt es eins, LesMigras. Saideh Saadat-Lendle, Psychologin aus dem Iran, organisiert es. Sie arbeitet in der Lesbenberatung in Berlin und ist dort hauptamtlich für lesbische Migrantinnen zuständig. Daher der Name ihres Arbeitsbereichs: LesMigras. Menschen, die nach Deutschland emigriert sind oder emigrierte Eltern haben, wünschen sich einen engen Kontakt zu ihrer "Community", zu ihrer Gemeinschaft. Noch viel dringender ist dieses Bedürfnis für migrantische Lesben, weiß Saideh Saadat-Lendle. Kaum eine riskiert daher ihr Coming Out. "Sie fühlen sich sowieso schon am Rande der Gesellschaft und wollen die Nähe und Liebe, die sie in ihrer Gemeinschaft erfahren, nicht verlieren."

Lesbenfeindlichkeit erfahren sie nicht nur in ihren Gemeinschaften, sondern auch in deutschen Kreisen. Aber in der eigenen Gemeinschaft tut es besonders weh. Manchmal kann dort sogar der Arbeitsplatz auf dem Spiel stehen. Denn oft werden Jobs über Bekannte aus der Community vermittelt, oder der Arbeitsplatz liegt mitten im Familienunternehmen. "Interessanterweise haben sich alle türkischen Lesben, die ich kenne, selbständig gemacht, um diesem Druck auszuweichen," so Saideh Saadat-Lendle. "Sonst würde es ihnen so gehen wie einer iranischen Frau, die ich kenne. Sie arbeitete in einem Frauenverein und alle mochten sie. Als sie während einer Sitzung sagte, es wäre schön, wenn der Frauenverein sich für Lesben öffnen würde, änderte sich das Klima schlagartig. Sie wurde gemobbt und am Ende sogar entlassen."

Als LesMigras Ende der 90er gegründet wurde, erkannte die EU die Bedeutung des Projekts und förderte es einige Jahre. Jetzt ist die Förderung ausgelaufen, das Projekt inzwischen ein Arbeitsbereich innerhalb der Berliner Lesbenberatung. Und Hauptperson darin ist nach wie vor Saideh Saadat-Lendle. Auch die Iranerin ist lesbisch. Geholfen habe ihr bei ihrem Coming Out, erzählt die 49-Jährige, dass ihre linken iranischen Exil-Genoss-/innen in Deutschland den Anspruch hatten, fortschrittlich zu sein. "Und da bin ich auf die intellektuelle Ebene gegangen. Was halten Sie von den sozialen Geschlechterrollen, habe ich gefragt. Was halten Sie von Genderthemen, was denken Sie zu Zwangsheterosexualität. Das war ganz anders als zu sagen, wissen Sie, ich bin lesbisch."

Nach ihrem Coming Out in ihrer Herkunftsfamilie sagte ihre Mutter: "Du bist so eine starke Frau, ich wusste, dass du keinen Mann aushalten kannst, der dir sagt, was du machen musst." Die Antwort ihrer Mutter, die verwitwet ist, war erleichternd. Und doch machten sich später Vorurteile bemerkbar. Ihre Mutter erkennt ihren Sohn, den sie zusammen mit ihrer Partnerin aufzieht, nicht vollwertig als ihr Enkelkind an. Mütter von Lesben, die solche Probleme haben, kommen manchmal in die Beratung zu Saideh Saadat-Lendle. Sie stehen zu 100 Prozent auf Seiten der Töchter, fürchten aber die Ablehnung in der Gemeinschaft. Und sie fürchten, ihre Töchter müssten weggehen - in eine andere Stadt.

Von Aufklärungsarbeit profitieren

Eigentlich unterscheiden sich die Fragen migrantischer Lesben und ihrer Mütter kaum von denen deutscher. Nur profitieren deutsche Kreise von der Aufklärungsarbeit, die bereits geleistet wurde. Es gibt Bücher, Diskussionen, lesbische und schwule Promis. Für die türkischen, arabischsprachigen, russischen oder anderssprachigen Gemeinschaften gibt es wenig. Ein Glücksfall ist daher, dass LesMigras Broschüren und Bücher herausgab, außerdem drei Filme mit migrantischen Lesben in Österreich, Frankreich und Deutschland produzierte. Bei diesen Arbeiten stellte sich heraus, dass das Thema Mehrfachdiskriminierung EU-weit ein Novum ist. In Migrantinnengruppen ist Lesbischsein Tabu, Lesbenorganisationen ignorieren den eigenen Rassismus. Migrantische Lesben bewegen sich in der gesamten EU an den Schnittstellen zwischen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie.

Magda Danielewicz ist beeindruckt von LesMigras' Ansatz, direkt in die Gemeinschaften zu gehen. "Wenn ich mir die polnische Community angucke, da muss man schon hingehen und mit ihnen sprechen. Und provokativ sagen: Wie geht es Euren Lesben? Um sie damit zu konfrontieren, dass es sie gibt."

www.lesmigras.de *Name geändert

ver.di-Arbeitskreis zeigt Courage

Anlässlich des Berliner Christopher-Street-Day (CSD) wurde dem ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender 2007 der Zivilcouragepreis des CSD e.V. verliehen. Der Preis ist eine Auszeichnung für das langjährige, couragierte Engagement der Gruppe für die Interessen von Minderheiten im Sinne einer diskriminierungsfreien europäischen Gesellschaft.

Bereits seit Ende der 70er Jahre hatten lesbische und schwule Mitglieder der ver.di-Gründungsgewerkschaften ÖTV und HBV sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Gewerkschaften gegen Diskriminierungen und Benachteiligungen von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz eintreten und aktiv für sie Partei ergreifen. Die Forderung der ersatzlosen Streichung des § 175 StGB und der Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes für Lesben und Schwule in Arbeit und Beruf waren den lesbischen und schwulen Mitgliedern wichtige Anliegen, die sich die Gewerkschaften durch entsprechende Beschlüsse zu eigen machten und schließlich mit Erfolg eingefordert wurden. Auch international ist der Bundesarbeitskreis inzwischen vernetzt und kooperiert mit anderen Gruppen wie beispielsweise LesMigras bei Sachthemen, z. B. im Kampf gegen Ausweisungen von lesbischen/schwulen Migrant/innen, die in ihrem Heimatland mit Verfolgung rechnen müssen.

Wie wichtig auch heute der gewerkschaftliche Einsatz gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz ist, zeigen nicht zuletzt aktuelle Erhebungen über den beruflichen Alltag von Lesben und Schwulen. Nur wenige sind bereit, sich im Kollegenkreis zu outen, und die Mehrheit berichtet über Diskriminierungs- oder Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz. Festzustellen ist immerhin, dass immer mehr Kolleg/innen sowie Vorgesetzte positiv auf das Outing reagieren.

http://regenbogen.verdi.de

SEMINAR

Mehr Akzeptanz am Arbeitsplatz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung von Menschen u.a. wegen ihrer sexuellen Identität. Was bedeutet dieses neue Gesetz für mich und was verändert sich dadurch an meinem Arbeitsplatz? Im beruflichen oder öffentlichen Alltag begegnen wir immer wieder stereotypen Bildern über homosexuelle, bisexuelle oder transsexuelle Menschen. Jedoch: Werden diese Bilder der jeweiligen Persönlichkeit und der Realität gerecht? Warum werden homo-, bi- und transsexuelle Menschen auf ihre Sexualität reduziert? Was kann ich tun, um im Kollegenkreis nicht in eine Außenseiterrolle zu gelangen? In dem Seminar "Wege zu mehr Akzeptanz von homosexuellen, bisexuellen und transsexuellen Menschen am Arbeitsplatz" geht es um diese Fragen. Dazu gehört es, Absichten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu verdeutlichen, Erfahrungen auszutauschen, Handlungsmöglichkeiten für ein diskriminierungsfreies Miteinander zu erarbeiten.

28. 8. - 31. 8. 2008, ver.di-Bildungsstätte "Clara Sahlberg" Berlin, Veranstalter: ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Anmeldungen per Mail anbock@verqueer.de

ver.di-Arbeitskreis zeigt Courage

Anlässlich des Berliner Christopher-Street-Day (CSD) wurde dem ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender 2007 der Zivilcouragepreis des CSD e.V. verliehen. Der Preis ist eine Auszeichnung für das langjährige, couragierte Engagement der Gruppe für die Interessen von Minderheiten im Sinne einer diskriminierungsfreien europäischen Gesellschaft.

Bereits seit Ende der 70er Jahre hatten lesbische und schwule Mitglieder der ver.di-Gründungsgewerkschaften ÖTV und HBV sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Gewerkschaften gegen Diskriminierungen und Benachteiligungen von Lesben und Schwulen am Arbeitsplatz eintreten und aktiv für sie Partei ergreifen. Die Forderung der ersatzlosen Streichung des § 175 StGB und der Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes für Lesben und Schwule in Arbeit und Beruf waren den lesbischen und schwulen Mitgliedern wichtige Anliegen, die sich die Gewerkschaften durch entsprechende Beschlüsse zu eigen machten und schließlich mit Erfolg eingefordert wurden. Auch international ist der Bundesarbeitskreis inzwischen vernetzt und kooperiert mit anderen Gruppen wie beispielsweise LesMigras bei Sachthemen, z. B. im Kampf gegen Ausweisungen von lesbischen/schwulen Migrant/innen, die in ihrem Heimatland mit Verfolgung rechnen müssen.

Wie wichtig auch heute der gewerkschaftliche Einsatz gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz ist, zeigen nicht zuletzt aktuelle Erhebungen über den beruflichen Alltag von Lesben und Schwulen. Nur wenige sind bereit, sich im Kollegenkreis zu outen, und die Mehrheit berichtet über Diskriminierungs- oder Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz. Festzustellen ist immerhin, dass immer mehr Kolleg/innen sowie Vorgesetzte positiv auf das Outing reagieren.

http://regenbogen.verdi.de