Eine Erinnerung an den März 1933 mit aktuellen Bezügen

"Als unsere Leute aus dem Hause kamen und sie durch die Reihen der SA abmarschierten, wurden sie mit höhnischen Zurufen bedacht. Einigen wurden die Mützen heruntergeschlagen. An der Absperrung zur Müllerstraße hatte sich die Landespolizei aufgestellt, die vom Innenminister zum Schutze des Gewerkschaftshauses geschickt worden war. Ihr Anführer, ein blutjunger Offizier, schrie unseren Leuten zu: ‚Hände hoch!' Als die meisten zögerten, halfen Kolbenstöße nach."

Eindringlich schildert Wilhelm Hoegner, 1945/46 und 1954 bis 1957 sozialdemokratischer Ministerpräsident in Bayern, in seinem Erinnerungsbuch Flucht vor Hitler die Vorgänge, die sich am 9. März 1933 in und vor dem damaligen Münchner Gewerkschaftshaus in der Pestalozzistraße abspielten: den Überfall der SA-Terrortrupps auf das Haus und die verzweifelten Versuche Münchner Arbeiter, sich ihnen entgegenzustellen. Hoegner berichtet aber auch schonungslos über die Illusionen, die es damals - über einen Monat nach der Machtübernahme der Nazis - bei Gewerkschafts- und Parteiführern noch über den staatlichen Schutz vor solchen Übergriffen gab.

Die Besetzung des Münchner Gewerkschaftshauses durch die Nazis im März war ein Auftakt. Am 22. März 1933 wurde vor den Toren Münchens das KZ Dachau eröffnet. Für "die gesamten kommunistischen und, soweit dies notwendig ist, Reichsbanner- und sozialdemokratischen Funktionäre", so der spätere SS-"Reichsführer" Heinrich Himmler, damals Münchner Polizeipräsident, bei einer Pressekonferenz. Am 2. Mai 1933 nahm dann mit der Besetzung und Enteignung aller Gewerkschaftshäuser in Deutschland die Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung und die Ermordung der aktivsten Nazigegner ihren Lauf.

Wieder werden niedrige Instinkte mobilisiert

Sich dieser Ereignisse zu erinnern, ist kurz vor der Kommunalwahl in München besonders aktuell. Haben es doch zwei Nazi-Gruppierungen geschafft, die für eine Kandidatur notwendigen Unterschriften zusammen zu bekommen. Sie konnten dabei auf der trüben rassistischen Welle schwimmen, die der hessische Ministerpräsident Koch nach dem gewalttätigen Überfall zweier Jugendlicher auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn angeschoben hatte. Ein Vorstoß, der ihm bekanntlich daheim eher geschadet hat. Bleibt abzuwarten, wie es in München jenen ergehen wird, die ähnlich wie Koch meinten, es gelte jetzt im Wahlkampf niedrige Instinkte zu mobilisieren.

Eines jedenfalls sollte nicht nur für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter klar sein: Für Nazis darf es im Münchner Rathaus keinen Platz geben. Aus überlebenswichtigen Gründen - wie es auch die Erinnerung an den März 1933 lehrt.ERNST ANTONI