Ausgabe 03/2008
Sie brauchen das Geld
Von Bernd Riexinger |Alles auf Streik
Tausende Beschäftigte der Kommunen und des Bundes beteiligten sich an den ersten Warnstreiks im öffentlichen Dienst
Der öffentliche Personennahverkehr war lahm gelegt. Kein Bus und keine Straßenbahn verließen die Depots. Rund 250 Kindertagesstätten in Stuttgart und den Landkreisen blieben geschlossen. Im Klinikum in Stuttgart konnte nur ein Notbetrieb aufrechterhalten werden. Es war ein toller Warnstreik-auftakt am 22. Februar in Stuttgart.
Tausende von Beschäftigten in Stuttgart sowie den Landkreisen Böblingen, Ludwigsburg und Rems-Murr beteiligten sich am ersten ganztägigen Warnstreik in der laufenden Tarifrunde des öffentlichen Dienstes. Beschäftigte aus fast allen kommunalen Krankenhäusern in den drei Landkreisen fuhren zur Demonstration nach Stuttgart. Beschäftigte vom Stuttgarter Tiefbauamt, aus Bauhöfen, Garten- und Friedhofsämtern waren mit dabei, ebenso wie viele aus den Verwaltungsämtern, den Eigenbetrieben (AWS, ELW usw.) oder der Kreissparkasse Ludwigsburg. Bäder waren nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Böblingen geschlossen. Letztere, weil auch die Stadtwerke bestreikt wurden. Auch in den Dienststellen des Bundes wurde gestreikt, zum Beispiel beim Wasser- und Schifffahrtsamt, der Bundesagentur für Arbeit, der Bundesbank und anderen. Der Platz reicht hier nicht, um alle Arbeitsniederlegungen aufzuzählen.
Arbeitszeitverlängerung hieße Stellenabbau
Ein bunter, langer und lebendiger Demonstrationszug bewegte sich durch die Innenstadt. Auf der Abschlusskundgebung bekräftigte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach drei Jahren ohne Tariferhöhung deutlich mehr Geld wollen und brauchen. Das Angebot der Arbeitgeber bezeichnete er als Rosstäuscherei. In Wirklichkeit bedeute es einen Reallohnverlust. Eine Arbeitszeitverlängerung hieße weiterer Stellenabbau und wird deshalb von ver.di abgelehnt.
Beim Streik waren auch erfreulich viele Auszubildende und Jugendliche dabei. Die Jugend hatte mit einem eigenen Streikaufruf kräftig mobilisiert. Schließlich geht es mit der Forderung nach Übernahme aller Azubis und 120 Euro mehr Ausbildungsentgelt um wichtige Anliegen der Auszubildenden.
Die zweite Streikwelle
Am 6. März rollte die zweite Warnstreikwelle durch Baden-Württemberg. Dieses Mal wurden alle Beschäftig-ten zum Streiktag aufgerufen. Neben einer Großkundgebung in Stuttgart fanden Kundgebungen in Waiblingen und Böblingen statt. (Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lagen noch keine Zahlen und Bilder vor.)
Der ver.di-Bezirk Stuttgart ist auch für eine längere Streikauseinandersetzung gerüstet. Dass die Arbeitgeber ihren Beschäftigten nach drei Jahren Reallohnverlust ein viertes und fünftes Jahr mit einem kräftigen Minus zumuten, ist eine bodenlose Frechheit. Dass sie einen erneuten Machtkampf in der Lohn- und in der Arbeitszeitfrage suchen, ist unverantwortlich. Die Beschäftigten werden die richtige Antwort erteilen.