Am Gleis 12b

Die Ausstellung über die Bahn und ihre Schuld an den Deportationen in der Nazizeit hielt in Hamburg

Von Jörg-Dieter Bischke-Pergande

Zischend rumpelt die Dampflok von 1911 am Ostermontag gegen halb neun auf das Gleis 12b des Hamburger Hauptbahnhofs, erwartet von zahlreichen Helfern. Noch ist eine Menge zu tun: Ein Stromanschluss muss her, der Hamburg-Teil der Ausstellung muss installiert werden. Um 15 Uhr ist offizielle Eröffnung.

Damit die Ausstellung in den Hauptbahnhof kommen konnte, waren harte Verhandlungen mit der Bahn AG nötig. Erst hieß es: Im Hauptbahnhof geht das gar nicht, in Altona nur auf einem Nebengleis und auch nur bis 15 Uhr. Die Auseinandersetzung passte zum Verhalten der Bahnspitze, für die der Zug der Erinnerung ein unwillkommener Gast auf Deutschlands Bahnhöfen ist. Es gab Schikanen statt Entgegenkommen; die Bahn verlangt horrende Gebühren für die Standzeiten und die Nutzung der Trassen. Das alles als Reaktion darauf, dass in der Ausstellung gezeigt wird, wie Verantwortliche für die Deportationslogistik der Nazis nach dem Krieg bei der Bundesbahn Karriere gemacht haben? Doch in Hamburg konnte sich die Arbeitsgruppe mit den Bahnverantwortlichen vor Ort auf einen Kompromiss bei Standort und Standzeiten einigen.

Die Zeitzeugen

Vor mehr als 200 Teilnehmern eröffnen Zeitzeugen die Ausstellung. Zwi Helmut Steinitz (80), der aus Israel angereist ist, erinnert sich an seine Deportation: "Ich hatte nicht die Ehre, mit einem solchen Zug zu fahren. Mich steckten sie in Viehwaggons. Bis zu 100 Menschen waren in einem Abteil. Stehend zusammengepfercht, ohne Bewegungsmöglichkeit standen wir müde und ausgehungert tagelang in den Waggons." Steffi Wittenberg (81), die in letzter Minute ein Visum nach Uruguay bekommen hatte und so dem Terror entgangen war, macht darauf aufmerksam, dass die Transporte "nicht im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit stattfanden". Zugleich schlägt sie einen Bogen zur Gegenwart: "Dass sich am Barmbeker Bahnhof am 1. Mai ultrarechte Gruppen treffen und durch den Stadtteil marschieren dürfen, ist mit dem heutigen Gedenken an die Verbrechen der Nazis nicht in Einklang zu bringen. Der Zug der Erinnerung mahnt uns, die in Hamburg lebenden Kinder zu schützen, Inländer und Ausländer, mit und ohne Religion. Das sind wir den Opfern schuldig."

Die Transporte

Die Dauerausstellung des bundesweiten Vereins "Zug der Erinnerung" zeigt an exemplarischen Schicksalen von Kindern aus ganz Europa die perfide Perfektion der Logistik, mit der die Reichsbahn die Verfolgten in die Vernichtungslager transportierte. Im mittleren Teil der Ausstellung werden für die Transporte verantwortliche Reichsbahner vorgestellt, von denen manche danach bei der Bundesbahn Karriere machten. Der ergänzende Hamburger Teil berichtet vom Schicksal der Kinder vom Bullenhuser Damm. Die Daten und Bilder wurden von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zur Verfügung gestellt.

Während der Woche liefen Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten in der Stadt: Diskussionsforen, Lesungen, Rundgänge, Rundfahrten und eine abschließende Gedenkveranstaltung vor dem ehemaligen Hannöverschen Bahnhof, auf dem heutigen Lohseplatz, mit Heinz "Lolo" Weiß, dem Generalsekretär der Roma- und Sinti-Union.

Der Zug fährt weiter

Am Samstag verlässt der Zug die Stadt und fährt nach Lüneburg. Weitere Stationen findet man auf der Website www.zug-der-erinnerung.eu. Alle Dokumente zur Spurensuche werden im Zug gesammelt und am 8. Mai auf der letzten Station des Zuges dann dem Museum Konzentrationslager Auschwitz übergeben.

Viele Einzelpersonen, Gruppen und gesellschaftliche Organisationen finanzieren den Zug der Erinnerung. Wenn Sie sich beteiligen wollen: Ihre Spende wird mit einer Spendenbescheinigung quittiert.

Kennwort: Zug der Erinnerung, Streckenpatenschaft

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