Barbara Sichtermann ist Publizistin und Schriftstellerin

Während der 70er Jahre hielt ich mich längere Zeit in Skandinavien auf und staunte über die Selbstverständlichkeit, mit der Hochstühle in Edelrestaurants und Wickeltische in den Nischen der Universitätsflure Platz hatten. Ein Elterngeld gab es in Schweden schon. Es hieß Gehaltsersatzzahlung. Mir schien diese Politik das einzig Wahre, um Väter zur Kleinkindpflege zu motivieren und Frauen langfristig den Zugang in die Arbeitswelt zu ebnen. Inzwischen haben wir auch in der Bundesrepublik das Elterngeld. Aber wo bleiben die Hochstühle und die Wickeltische? Das gehört nämlich zusammen: Gehaltsersatz und eltern- sowie kinderfreundliche Infrastruktur.

Geld allein ändert nicht genug. Wenn auch einiges. Die Anzahl der Männer, die eine Baby-Auszeit nehmen, steigt. Aber die Sache mit dem Karriereknick, der Müttern droht, ist noch nicht ausgestanden. Was man in den skandinavischen Ländern begriffen hat und hier beharrlich ignoriert, ist, dass erst ein Willkommen für Kinder auf breiter Basis sowohl die Geburtenrate als auch die weiblichen Karriereaussichten heben kann. Hochstühle und Wickeltische sind natürlich nur Beispiele. Weitere Stichworte wären: arbeitsplatznahe Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und die Bereitschaft, Kinder zur Not im Büro nicht nur zu ertragen, sondern willkommen zu heißen.

Was erfolgen muss, ist ein Umdenken auf Seiten der Wirtschaft, wobei alle Arbeitgeber gemeint sind, auch die staatlichen. Diese Herrschaften nämlich stellen nach wie vor lieber Männer als Frauen ein, sie wollen keine Mütter, weil die nicht rund um die Uhr verfügbar sind, sie wollen keine Väter, die in Elternzeit gehen, und sie zeigen das auch. Natürlich gibt es rühmliche Ausnahmen, für die meisten aber gilt: Sie wollen Funktionäre, die flexibel, belastbar und arbeitswütig sind, und keine Menschen mit Familie und Sorgen, die nicht der Firma gelten. Solange dieser inhumane Anspruch, dem vor allem Männer mit ihrem Konkurrenz-Gehabe nur zu gern gerecht werden, nicht aufgehoben ist, wird sich trotz Elterngeld in punkto Karrieren von Müttern nur wenig ändern.

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