Reichen künftig bereits viele Gewerkschaftsfahnen - gemeinsam präsentiert, wie hier beim ver.di-Streiktag am 6. März 2008 auf dem Marienplatz in München - für den Verdacht auf eine verbotene "Uniformierung"?

Es ist auch ein "Anti-Streik-Gesetz": ver.di und andere Organisationen, Verbände und Parteien sehen beim geplanten bayerischen Versammlungsgesetz Grundrechte gefährdet

Die Kantine des DGB-Hauses ist dicht besetzt. Punkt für Punkt erläutert Florian Ritter von der SPD-Landtagsfraktion das von der Bayerischen Staatsregierung geplante bayerische Versammlungsgesetz. ver.di hatte zur Information eingeladen.

Versammlungen könnten, würde der bereits vorliegende Entwurf realisiert, künftig nach Gutdünken von der Polizei gefilmt, die Aufnahmen beliebig lang gespeichert, Versammlungsleiter und Ordner als "ungeeignet" oder "unzuverlässig" abgelehnt werden. Und das seien nur einige Konsequenzen aus den vielen vorgesehenen Maßnahmen.

Schnell ist den Anwesenden klar, dass hier demokratische Grundrechte in Gefahr sind. Und genauso schnell ist klar, dass es gilt, über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg unsere Versammlungsfreiheit zu verteidigen.

Dazu einige Meinungen:

Ingrid Greif, Streikleitung am Krankenhaus Bogenhausen: "Dieses Gesetz ist auch ein Anti-Streik-Gesetz. Denn Streik und Versammlung, das ist miteinander verbunden. Wir wollen schließlich mit beiden Kundgebungsarten unsere Kraft zeigen. Da ist es dann künftig nicht weit zum Verdacht der verbotenen ‚einschüchternden Wirkung'."

David Merck, Vertrauensmann bei der DP AG Brief München, der gerade an vielen Aktionen für den Postmindestlohn teilgenommen hat: "Demonstranten drohen polizeiliche Willkür und hohe Geldstrafen. Das ist auch eine Kriegserklärung an die Gewerkschaften."

Ulrich Fuchs, Rechtsanwalt und Mitglied der Humanistischen Union: "Es ist ein Einschnitt von neuer Qualität, dass Versammlungen in geschlossenen Räumen, teilweise sogar nichtöffentliche Versammlungen, die bis jetzt relativ ungestört von polizeilichen Ein- und Übergriffen stattfinden konnten, Versammlungen unter freiem Himmel gleichgestellt werden sollen."

So sieht das auch der 32. Strafverteidigertag, der am 2. März 2008 in München dazu aufrief, die Versammlungsfreiheit "gegen diesen monströsen und polizeistaatlichen Anschlag aus Bayern zu verteidigen".

Oblitor vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung begründet, warum sie sich der Initiative von ver.di anschließen: "Wir sehen uns als Bürgerrechtsbewegung sehr stark betroffen und unsere Arbeit gefährdet, sollte dieses Unrechtsgesetz wirklich gegen die Verfassung durchgedrückt werden."

Henrich Rosenfeld, Zeitungszusteller, war von Anfang an aktiv bei den von ver.di ins Leben gerufenen Treffen "Rettet die Grundrechte - gegen den Notstand der Republik": "Dieser Gesetzesentwurf ist nicht isoliert zu sehen. Er wurde nur möglich, da im Laufe des jetzt stattfindenden Staatsumbaus durch die Föderalismusreform das Versammlungsrecht zur Ländersache wurde. Es ist eine der vielen Maßnahmen, die viel zu wenig beachtet werden, wie etwa auch die flächendeckend errichteten Heimatschutzkommandos."

Ernst Grube, Überlebender des Holocaust, für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes mit im Einladerkreis der "Grundrechte-Initiative": "Es wird behauptet, dieses Gesetz sei notwendig zur Bekämpfung von Naziaufmärschen. Doch die Einschränkung der Grundrechte aller ist kein Mittel gegen Nazis. Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass Aktivitäten gegen die Neonazis eingeschränkt bzw. sogar verhindert werden können."

Grube verweist auf die Erklärung des Bürgerforums Gräfenberg, das sich gegen das Vorhaben der bayerischen Staatsregierung ausspricht: "Für unsere Stadt Gräfenberg und für alle anderen Kommunen, die durch ständige rechtsextremistische Aufzüge und Versammlungen seit Jahr und Tag terrorisiert werden, verlangen wir ein Verbot der NPD als politischer Leitbewegung dieser Umtriebe, so wie es demokratische Kräfte in diesem Land seit langem fordern."

"Wir brauchen unsere Versammlungsfreiheit - wir lassen sie uns nicht nehmen!" Diese gemeinsame Willenserklärung war Resultat der Veranstaltung. Nicht nur aus München kommt inzwischen Protest. Von Rosenheim bis Aschaffenburg, von Lindau bis Hof, schließen sich Betriebsräte, Betriebsgruppen, Initiativen und Verbände an.

WER MITMACHEN WILL, WENDET SICH AN HEDWIG.KRIMMER@VERDI.DE. AKTUELLE INFORMATIONEN UND MATERIALIEN ZUM HERUNTERLADEN FINDEN SICH AUF DER INTERNETSEITE VON VER.DI MÜNCHEN: WWW.VERDI-MUENCHEN.DE