15 türkische Gewerkschafter sind wieder frei, stehen aber weiter unter Anklage

Viele Stunden hatten die mehr als 200 Beobachter im Gerichtssaal ausgeharrt, doch als der Richterspruch verkündet wurde, musste die Öffentlichkeit draußenbleiben. Umso lauter der Jubel vor der Tür: Alle frei! Als "großen Erfolg internationaler Solidarität" bezeichnete Kenan Öztürk, Vorsitzender der türkischen Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS, was im Juni geschah: Sieben Gewerkschafter - alle Mitglieder des TÜMTIS-Vorstands in Ankara, die nach Hausdurchsuchungen seit November 2007 im Gefängnis saßen - wurden auf freien Fuß gesetzt. Ohne Proteste und Beobachter aus dem Ausland hätte sich der 11. Senat für Schwerverbrechen in der türkischen Hauptstadt dazu kaum durchgerungen, meint Öztürk. Unter Anklage bleiben die sieben dennoch. Ihnen und weiteren Kollegen der TÜMTIS, die LKW- und Busfahrer organisiert, wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Haftstrafen ab 15 Jahren und das Verbot der Gewerkschaft drohen dafür.

Arbeitgeber aus Transport- und Logistikunternehmen, speziell vom Branchenriesen HOROZ-Lojistik, haben Anzeige wegen Störung des Arbeits- und Betriebsfriedens erstattet. Die Gewerkschafter hätten Autos beschädigt, Leute aufgewiegelt und versucht, sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, hieß es vor Gericht. Doch Beweise sind bisher nicht vorgelegt worden, obwohl in Abhörprotokollen von 5000 Handygesprächen der Gewerkschafter geschnüffelt wurde. Barbara Ruthmann, die die ver.di-Delegation beim Prozess leitete, ist empört: "Die Verteidiger wurden nur kurz gehört. Ohne auf die Aussagen der Angeklagten oder die Anwälte einzugehen und ohne Begründung erklärte der Staatsanwalt, dass alle Vorwürfe bestehen bleiben."

Gewerkschaften verhindert

Auch die TÜMTIS unterliegt dem restriktiven türkischen Gewerkschaftsgesetz, das Hürden auftürmt: Um als Tarifpartner in einem Unternehmen anerkannt zu werden, muss die Gewerkschaft einen Organisationsgrad von mehr als 50 Prozent der Belegschaft nachweisen und zehn Prozent der Beschäftigten einer Branche vertreten. Mitgliederwerbe- und Streikaktivitäten werden so zum Bumerang, liefern nicht selten den Vorwand für Repressalien.

Im TÜMTIS-Fall protestierte die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) bei Ministerpräsident Erdogan gegen die Verhaftungen und entsandte Prozessbeobachter. Für die ITF stünden "gewerkschaftliche Aktivitäten" unter Anklage. Gewerkschaftliche Rechte müssten gemeinsam verteidigt werden. Die Verhandlung soll im Oktober fortgesetzt werden.