Schülerfirmen boomen. Während meist betriebswirtschaftliches Denken im Vordergrund steht, geht es in der Aachener Hauptschule in der Aretzstraße darum, die Jugendlichen ausbildungsfähig zu machen

Donnerstag ist Zahltag. Im Büro von "Tu was", der Schülerfirma der Aachener Ganztagshauptschule Aretzstraße, drängeln sich durchgestylte Sechzehnjährige neben aufgeregten Fünftklässlern. Der elfjährige Nadir hat auf dem Schulhof Laub gefegt, "ewig lang", meint er, tatsächlich eine Stunde. Tatjana hat nachmittags mit dem Bollerwagen zwei Stunden lang Zeitungen ausgeteilt, Sehir aus der 8c das Fraktionsbüro der "Grünen" geputzt und Jamal Sperrmüll aus dem Keller getragen. Die 16-jährige Sandra hat für eine ältere Frau eingekauft und die Treppe gewischt. Nun wollen sie ihr Geld. Möglichst alle auf einmal.

Die Jugendlichen sind stolz auf ihre Arbeit und das Geld

Auf Initiative der Techniklehrerin Ulla Griepentrog und ihrer Kollegen ist die Schülerfirma vor zehn Jahren entstanden. "Wir dachten, es wäre doch schön, wenn uns jemand die Arbeit am Kopierer abnehmen würde", sagt Griepentrog. Nach und nach entdeckte das Kollegium im Schulalltag immer mehr kleine Arbeiten, die Schüler übernehmen könnten; auch Privatleute und Verbände fragten nach.

Die meisten der 400 Schüler/innen im Alter von 11 bis 18 Jahren haben eine Migrationsgeschichte. Viele sind arm. Weit mehr als die Hälfte von ihnen engagiert sich irgendwann bei "Tu was", jeder Dritte ist regelmäßig und über Jahre dabei. Die Mädchen und Jungen sind stolz auf ihre Arbeit und das selbstverdiente Geld. Träger des Unternehmens ist ein gemeinnütziger Verein, auch wenn auf dem Firmenschild neben der Bürotür steht: "Tu was GmbH." Doch im Kürzel versteckt sich das Konzept: "Gib mir berufliche Hilfe". Die Handwerks- und die Industrie- und Handelskammer unterstützen das Projekt ideell; Angst vor Konkurrenz gibt es dort nicht. "Wir bieten keinen Ersatz für professionelle Dienstleistungen", stellt auch Projektleiterin Griepentrog klar. Anfragen wie die des Kinderschutzbundes, ihnen beim Umzug zu helfen, lehnt sie ab: "Zu groß für uns." Die Lehrerin achtet darauf, dass niemand zu lange arbeitet oder überfordert wird.

Im Unterschied zu anderen Schülerfirmen zählt bei "Tu was" nicht in erster Linie der Gewinn. "Wir wollen unsere Kinder ausbildungsfähig machen", nennt Griepentrog als Ziel. Bei "Tu was" bekommen Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, alles auszuprobieren, was sie interessiert. Pascal zum Beispiel wollte Maler und Lackierer werden - bis er den ersten Zaun gestrichen hatte. Jetzt backt er lieber Torten für den Partyservice, der am Wochenende das interkulturelle Fest in der Nachbarschaft versorgt. Sandra möchte "was mit Elektrik" machen und bekommt den Auftrag, dem Hausmeister bei der nächsten Reparatur zu assistieren.

Gerade kleine Aufträge wie Rasen mähen, Keller streichen oder Fenster putzen sind für "Tu was" lohnenswert, weil die Schüler dabei lernen, was Arbeiten bedeutet. Sich in fremden Wohnungen angemessen zu verhalten, während der Arbeit nicht über Geld zu verhandeln, nicht gleich alles hinzuwerfen, wenn der Auftraggeber anderer Meinung ist, und mit Schülerkollegen klarzukommen, ist auch eine Frage der Übung.

Die Großen subventionieren den Lohn der Jüngeren

Das erste, was jeder zeigen muss, ist Zuverlässigkeit. Wer bei "Tu was" mitmachen will, erhält einen Anmeldezettel. Der muss ausgefüllt und von den Eltern unterschrieben werden. Manche brauchen dafür einen Tag, andere ein paar Monate. Danach wird ein erster Arbeitstermin vereinbart. Gelegenheit zum Anpacken gibt es jeden Nachmittag sowie am Wochenende. Vergisst jemand Absprachen immer wieder, wird er für einige Zeit gesperrt.

Zum Anlernen erhalten die Kleinen Aufträge in der Schule: Müll sammeln, die Tische im Chemiesaal abwischen oder Klassenzimmerwände streichen. Um die Schüler für diese Arbeiten zu bezahlen, gibt die Stadt einen Teil dazu - den anderen Teil steuern diejenigen bei, die selbstständig außerhalb der Schule arbeiten. "Die Großen wissen, dass ich von den externen Auftraggebern mehr Geld einnehme als ich auszahle", sagt Griepentrog. Sie akzeptieren, dass die Projektleiterin den Differenzbetrag einsetzt, um die Fünftklässler anzulernen - schließlich haben sie früher selbst davon profitiert.

Der ausbezahlte Höchstlohn liegt bei fünf Euro pro Stunde, für einfache Aufgaben gibt es ein bis zwei Euro. Die Verhandlungen mit den Auftraggebern, Logistik und Preisberechnung übernimmt Ulla Griepentrog.

Der elfjährige Nadir steht immer noch im "Tu was"-Büro. Er hat vergessen, seine Arbeitszeit ins Stundenbuch einzutragen. "Dann kann ich nichts auszahlen", sagt Griepentrog. Nadir reißt entsetzt die Augen auf. Ulla Griepentrog gibt ihm noch eine Chance: Sobald es ruhiger ist, fragen die beiden beim Hausmeister nach, ob er sich an Nadirs Fegerei erinnert. Der nickt. Nadir bekommt sein Geld.

Birgit-Sara Fabianek

Ausgezeichnet

Die Aachener Gemeinschaftshauptschule Aretzstraße zählt bundesweit zu den erfolgreichsten Hauptschulen in einem schwierigen Umfeld. Für ihr Anti-Gewalt-Training wurde sie mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Auch bei den jüngsten Lernstandserhebungen in Nordrhein-Westfalen schnitt sie besonders gut ab. Ihr pädagogisches Programm: Die Schule ermutigt zum selbstständigen Lernen. Die Schülerfirma "Tu was!" ist dabei ein wichtiger Baustein.