DRK-Rettungsdienst Borna setzt Beschäftigte vor die Tür. Begründung: zu viele Rechtsstreitigkeiten

Mahnwache auf dem Bornaer Marktplatz

VON GUNDULA LASCH UND ANNETT WELLER

BORNA | Einen Tag vor Weihnachten standen die 38 Rettungssanitäter/innen und -assistenten des DRK-Rettungsdienstes Borna/Groitzsch vor verschlossenen Türen. Ihnen wurde, quasi über Nacht, Hausverbot erteilt. Der offizielle Grund: Für die DRK Rettungsdienst, Krankentransport und Hilfsdienste Leipziger Land gGmbH wurde Insolvenz beantragt.

Betriebsrat Frank Haubenreißer ist wie seine Kollegen geschockt und sucht nach Erklärungen. "Wir gehen davon aus, dass alles generalstabsmäßig geplant wurde. Wir haben in der Vergangenheit als Betriebsrat und Gewerkschaft auch mal gekämpft. Wir sind eben ein aktiver Betriebsrat, haben unsere Mitbestimmungsrechte wahrgenommen und zum Beispiel Zulagen vorm Arbeitsgericht eingeklagt. Und jetzt wird uns deshalb vorgeworfen, wir seien mit verantwortlich für die Insolvenz."

Rechte des Betriebsrats missachtet

Was ihn so wütend macht, ist die Begründung, die das DRK auf Anfragen der Medien für die Insolvenz angibt: Schuld seien die hohen Kosten für Rechtsauseinandersetzungen. Die Beschäftigten seien selbst Schuld an der Finanzlage, weil der Betriebsrat zahlreiche Klagen eingereicht habe. Fakt ist: Die Streitigkeiten wären vermeidbar gewesen, wenn der Arbeitgeber die Rechte des Betriebsrates und den geltenden Tarifvertrag geachtet hätte.

ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Ines Jahn vermutet, das DRK habe die Zweigstelle in Borna bewusst der Insolvenz überlassen. "Es riecht danach, dass das DRK sich über die Hausverbote unliebsamer streikbereiter Beschäftigter auf elegante Art entledigen wollte." Das DRK hatte neue, stark verschlechterte Tarifbedingungen mit der Pseudo-Gewerkschaft DHV vereinbart. Aber die zu 80 Prozent in ver.di organisierten Bornaer Retter wollten mit Warnstreiks im letzten Frühjahr stattdessen einen neuen Tarifvertrag mit ver.di durchsetzen. Der Sprecher des DRK, Peter Fräbel-Simon, wies diesen Vorwurf zurück. Im Rahmen eines Geschäftsführerwechsels sei ein Fehlbetrag von 90000 Euro beim DRK erst im Verlaufe des Dezembers festgestellt worden, und jeder Geschäftsführer habe dann die gesetzliche Pflicht, relativ schnell das Insolvenzverfahren zu beantragen.

Dennoch: Die drängenden Fragen der Beschäftigten bleiben. Wer ist verantwortlich dafür, dass der Vorstand vom DRK Leipziger Land zwei Rettungsdienst gGmbHs bildete? Wie kam es, dass eine davon unter den Augen von Vorstand und Präsidium in die Insolvenz schlitterte? Antworten auf diese und mehr Fragen eines Offenen Briefs der Mitarbeiter an den Vorstand blieben bisher unbeantwortet.

Unterdessen kämpften die geschassten DRK-Beschäftigten für ihre Weiterbeschäftigung. Vom 1. bis 15. Januar hielten sie trotz strengen Frostes auf dem Bornaer Marktplatz eine Mahnwache. Sie sammelten über 11000 Unterschriften für ihre Forderungen, Unterstützerbriefe kamen aus dem gesamten Bundesgebiet und zu einer Kundgebung am 9. Januar rund 200 Teilnehmer.

Bereit zum Übergang mit ihren Rechten und Pflichten

Am 12. Januar beschloss die Verbandsversammlung des Rettungszweckverbandes, dass die Bornaer lediglich das Angebot bekommen, sich neu auf Stellen im Rettungsdienst zu bewerben. Ob und wie viele Stellen bei einem neuen Leistungserbringer entstehen, ist aber noch völlig unklar. "Man hat uns nun endgültig vor die Tür gesetzt", bringt Lutz Lettau, Mitglied der ver.di-Tarifkommission, die Enttäuschung aller über diese Entscheidung auf den Punkt.

Aber sie geben nicht auf. Eine Klage der Beschäftigten auf Betriebsübergang ist bereits auf dem Weg. "Wir sind bereit, als gut ausgebildete, erfahrene und ortskundige Rettungsdienstkräfte unsere Arbeit fortzusetzen - auch als Belegschaft zu einem neuen Arbeitgeber mit unseren Rechten und Pflichten überzugehen", so Lettau.

Ines Jahn vom ver.di-Bezirk unterstreicht: "Die politisch Verantwortlichen können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." ver.di hat sich mit einer Beschwerde an das Sächsische Innenministerium gewandt, um den Beschluss des Rettungszweckverbandes überprüfen zu lassen und auf eine Korrektur zu drängen.