ACHIM NEUMANN ist ver.di-Unternehmensbetreuer Schlecker und in der Lidl-Kampagne aktiv

Die bislang aufgedeckten Bespitzelungen der Beschäftigten bei Lidl, Ikea, der Telekom und der DB sind nur die Spitzen des Eisbergs. Nicht nur, dass hier das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verletzt wurde. Noch viel gravierender ist der frevelhafte Umgang mit dem Grundgesetz, das den Schutz der Privatsphäre und die Unantastbarkeit der Würde auch des arbeitenden Menschen garantiert. Wie dessen Würde mit Füßen getreten wurde, ist unglaublich. Die Vorgänge sagen viel aus über das Bild, das die Verantwortlichen von Mitarbeitern haben: Sie halten sie 1. für faul, 2. für potentielle Diebe und 3. für korrupt.

Manche Unternehmen kaschieren Überwachung vielleicht, aber sie unterlassen sie nicht. Das birgt die Gefahr des organisierten Missbrauchs in sich. Das Bundesverfassungsgericht hat das auch so gesehen und im "Volkszählungsurteil" den Schutz der Privatsphäre weitgehend mit der Definition des Begriffs "Informationelle Selbstbestimmung" garantiert. Der staatlichen Kontrollwut wurden mit dem BDSG enge Grenzen gesetzt. Es hat aber die Sozialsphäre am Arbeitsplatz nur mit einem geringeren Schutz ausgestattet. Auf der betrieblichen Ebene muss es beim Sammeln personenbezogener Daten immer auch um eine Interessenabwägung gehen, um das gesetzlich geschützte Recht der Beschäftigten auf Schutz ihrer Persönlichkeit und um das Interesse des Unternehmens auf Schutz seines Eigentums. Beide Interessen müssen transparent, nachvollziehbar, zweckgebunden und in einer Betriebsvereinbarung gestaltet werden.

ver.di fordert seit Jahren ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Wer allerdings im Text der aktuellen Novelle des BDSG blättert, sucht vergebens. Beschäftigtendatenschutz kommt dort nicht vor. Beschäftigten bleibt deshalb nur, sich auf den bislang einzig Erfolg versprechenden Weg zu verlassen, die zulässige Leistungs- und Verhaltenskontrolle auf ein Mindestmaß zu begrenzen: die Durchsetzung der Schutzfunktionen des Betriebsverfassungsgesetzes durch qualifizierte ver.di-Betriebsräte.