ANNETTE JENSEN ist freie Journalistin und lebt in Berlin

Es scheint absurd: Ausgerechnet die Partei, deren ökonomische Vorstellungen sich gerade vor aller Augen als Katastrophe für die Weltwirtschaft erwiesen haben, befindet sich im Aufwind. In Umfragen liegt die FDP bei 18 Prozent - jener Zielmarke also, mit der Parteichef Guido Westerwelle 2002 in den Bundestagswahlkampf gezogen war. Damals scheiterte die FDP allerdings kläglich - trotz des neoliberalen Zeitgeists. Und weil sie auch in vielen Landesparlamenten nicht mehr vertreten war, rechneten Parteienforscher mit ihrem völligen Verschwinden.

Dass die FDP ausgerechnet jetzt wie Phönix aus der Asche steigt, liegt daran, dass sie plötzlich ein Alleinstellungsmerkmal hat. Keine andere Partei vertritt noch die Posi- tion, dass eine möglichst freie Wirtschaft den Wohlstand aller fördert und sich der Staat am besten aus allem raus hält. Im Gegenteil. Heute muss der Staat mit hunderten von Milliarden einspringen, weil sonst die ganze Wirtschaft kollabiert.

Doch wer soll das bezahlen? Wir jedenfalls nicht, ist die Position vieler Gutverdienender und Vermögender, die dank der neoliberalen Politik von Rot-Grün und Schwarz-Rot immer reicher geworden sind und sich immer weniger an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligt haben. Auch nach dem Crash ist ihr Credo: Steuern runter. Wider alle Erfahrung behaupten sie, dass das zu Investitionen in die Realwirtschaft führte. Dabei haben die gesparten Steuern in den vergangenen Jahren tatsächlich vor allem die gefährliche Finanzblase mit aufgepumpt.

Die FDP profitiert davon, dass sich solche Leute von der CDU nicht mehr vertreten sehen. Während CDU und SPD immer ununterscheidbarer werden und auch deshalb immer weniger Zustimmung finden, sammeln sich die Marktgläubigen bei der FDP. Nicht unwahrscheinlich, dass die Partei im Herbst auf der Regierungsbank Platz nimmt. Das wäre dann so, als ob man einem chronischen Brandstifter die Feuerwehrleitung anvertraut.