Ausgabe 04/2009
Eine Frau macht keine Quote
DINA BÖSCH ist Mitglied des ver.di-Bundesvorstands
ver.di PUBLIK | Erst haben die Grünen eine 40-Prozent-Quote in den Aufsichtsräten der Unternehmen in Deutschland gefordert, jetzt zieht die SPD nach. Wie will ver.di den Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten erhöhen?
DINA BÖSCH | Unser Bundesfrauenrat hat sich für eine Quotierung ausgesprochen. Das wird jetzt in ver.di und mit den DGB-Gewerkschaften diskutiert. Wichtig ist aber, dass die ver.di-Richtlinie zur Besetzung von Aufsichtsräten bereits Wirkung gezeigt hat. Der Anteil der hauptamtlichen Kolleginnen in Aufsichtsräten ist seit 2002 erheblich, allein zwischen 2005 und 2008 um 15,2 Prozent gestiegen und liegt damit nur rund vier Prozent unter dem Anteil an weiblichen ver.di- Gewerkschaftssekretärinnen. Nachholbedarf haben wir allerdings bei den internen Mandaten, also bei Beschäftigten aus dem jeweiligen Unternehmen. Der Anteil der Kolleginnen unter den ver.di-Arbeitnehmervertreter/innen in Aufsichtsräten liegt hier knapp bei einem Viertel, der weibliche Anteil an der Mitgliedschaft liegt hingegen bei fast 50 Prozent. Hier muss also noch viel getan werden, damit auf den Nominierungskonferenzen und bei der Aufstellung von Listen viele Frauen auf aussichtsreichen Plätzen bei den Wahlen dabei sind.
ver.di PUBLIK | In den letzten Wochen wurde viel darüber spekuliert, ob mehr Frauen in den entscheidenden Gremien eine Krise wie die jetzige verhindert hätten. Hätten sie?
BÖSCH | Die Beantwortung dieser Frage ist natürlich ein wenig spekulativ. Verhindert hätten Frauen die Krise wahrscheinlich nicht, denn sie ist ja auch die Antwort auf ein neoliberales System. Berücksichtigt man allerdings die Ergebnisse verschiedener Studien, die Frauen ein weniger risikoreiches Umgehen mit Geld attestieren, so liegt die Vermutung nahe, dass die Krise vielleicht weniger heftig ausgefallen wäre oder ihr früher und anders begegnet worden wäre.
ver.di PUBLIK | Könnten deutlich mehr Frauen in den Aufsichtsräten nicht wenigstens dafür sorgen, dass in Deutschland Frauen endlich für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld erhalten wie Männer?
BÖSCH | Das wäre eine viel zu hohe Erwartung an weibliche Aufsichtsräte. In Aufsichtsrats-Gremien wird schließlich keine Entgelt- oder Eingruppierungspolitik gemacht. Wichtig ist allerdings, dass mehrere Frauen in einem Gremium sind, denn eine Frau allein wird sich nur selten gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Die Frage nach der Durchsetzung geschlechtergerechter Tarifabschlüsse müssen wir auch in unseren eigenen Reihen diskutieren.
ver.di PUBLIK | Und was bringen dann mehr Aufsichtsrätinnen?
BÖSCH | Die erfolgreiche Durchsetzung von Forderungen ist oft gekoppelt an gut funktionierende Netzwerke. Nun wissen wir, dass Netzwerke meistens reine Männer- oder Frauennetzwerke sind. Wenn ich also als einzige Frau in einem Gremium sitze, ist es mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich schwieriger frauenspezifische Interessen durchzusetzen, als wenn weitere Mitstreiterinnen dabei sind.