Michael Windfuhr leitet das Referat Menschenrechte bei "Brot für die Welt"

Wasser ist kostbar. Auch die Industrie versucht, sich Anteile am Wasserhandel zu sichern. Der ist für sie besonders lukrativ

ver.di PUBLIK | Der Weltwasserrat hat in Istanbul getagt, um über die Sicherung der weltweiten Wasserversorgung zu beraten. Sind die Ergebnisse der Konferenz zufriedenstellend?

Michael Windfuhr | Nein. Das hat aber auch mit der Institution des Weltwasserrats zu tun. Das ist ja keine UN-Organisation, sondern eine Vereinigung, in der die Wasserindustrie großen Einfluss hat. Der Wasserbereich ist eine der wichtigsten Investitionsbereiche der Zukunft. Schätzungen gehen davon aus, dass sich mit Wasserversorgung, -infrastruktur und -spartechnik in den kommenden Jahren 400 bis 600 Milliarden US-Dollar verdienen lassen. Es spricht im Prinzip ja nichts dagegen, wenn sich Industriebereiche auf einer Art Messe austauschen. So etwas darf aber nicht den Anschein einer internationalen Konferenz bekommen.

ver.di PUBLIK | Was ist denn auf der Versammlung gelaufen?

Windfuhr | Eine richtige inhaltliche Debatte fand nicht statt. Der Konferenz fehlte zudem der Wille, allen Stimmen Platz zu geben. So durfte zum Beispiel eine UNESCO-Studie zu Staudämmen nicht vorgestellt werden. Der Präsident der UN-Generalversammlung, der eine kritische Stellungnahme zur Wasserprivatisierung präsentieren wollte, konnte dies nicht tun. Besonders ärgerlich ist, dass in der Schlusserklärung nicht vom Menschenrecht auf Wasser die Rede ist, sondern nur vom Bedürfnis nach Wasser.

ver.di PUBLIK | Was würde ein Menschenrecht auf Wasser konkret bringen?

Windfuhr | Die Wasserressourcen in vielen Ländern werden knapper. Zugleich entnehmen Wohlhabende, Industrieunternehmen und große landwirtschaftliche Betriebe immer mehr Wasser. Lokale und internationale Konflikte sind programmiert. Eine Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser bedeutet, dass benachteiligte Gruppen ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit rücken. Alle Staaten müssten sich dann mit maximaler Kraft dafür einsetzen, dass alle ihre Bürger Zugang zu Wasser bekommen.

ver.di PUBLIK | Wie wäre so etwas durchzusetzen?

Windfuhr | Angesichts der Dimen- sion der Wasserprobleme, die wir weltweit haben und noch bekommen werden, wäre ein regelmäßiges UN-Forum angemessen, wo alle betroffenen Staaten über die Beschlüsse abstimmen und auch zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligt sind.

ver.di PUBLIK | Sollte Wasserversorgung auf jeden Fall staatlich organisiert sein?

Windfuhr | Wasserzugang ist von seiner Substanz her ein öffentliches Gut. Die Frage, welche Dienstleistungen rund um die Wasserversorgung sinnvoll privatisiert werden könnten, muss man sehr sorgfältig öffentlich diskutieren. Wichtig ist dabei immer, dass auch Gruppen, die wenig oder gar kein Geld haben, vorrangig Zugang zu dieser lebensnotwendigen Ressource bekommen.

ver.di PUBLIK | Hält der Trend zur Privatisierung der Wasserversorgung an?

Windfuhr | Die große Zeit der Privatisierungen in der Wasserversorgung von Städten scheint vorbei zu sein. Schließlich sind die Investitionslasten auf Dauer gewaltig. So hat sich RWE vom britischen Wasserversorger Thames Water getrennt, vermutlich auch, weil man festgestellt hat, dass es sehr teuer ist, die Löcher im Londoner Wasserversorgungssystem abzudichten. Zumindest langfristig sind damit keine hohen Renditen zu erwirtschaften. Und in der aktuellen Krise ist es noch schwieriger geworden, für solche Investitionen Geld aufzutreiben.

"Ein regelmäßiges UN-Forum wäre angemessen, wo alle betroffenen Staaten über die Beschlüsse abstimmen und auch zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligt sind."

ver.di PUBLIK | Wo aber sieht die Wirtschaft dann ihre Chancen?

Windfuhr | Privatisierung ist derzeit mehr ein Thema bei Mineralwasserbrunnen oder Wasserreservoirs. Der Handel mit Wasser in Flaschen ist ein sehr lukrativer und wachsender Markt, nicht nur in den Industrieländern, sondern auch in China und Indien. Nestlé kauft zur Zeit viele kleinere Sprudelhersteller auf. Ansonsten sind im Wassersektor ja auch viele Firmen unterwegs, die Technologie liefern oder Infrastruktur aufbauen. Natürlich geht es auch um den Bau von Staudämmen.

ver.di PUBLIK | Sind Staudämme in jedem Fall negativ zu beurteilen?

Windfuhr | Sie können an unterschiedlichen Stellen in unterschiedlichen Größen durchaus Sinn machen. In vielen, wenn nicht den meisten Fällen aber werden beim Bau von Staudämmen Menschenrechte verletzt. Dabei geht es insbesondere um Umsiedlungen, für die es oft nicht einmal eine Entschädigung gibt. Zweitens ist immer die Frage wichtig, welche Größe für einen Staudamm angemessen ist. Beim Narmada-Staudamm in Indien haben genug Studien vorgelegen, die belegten, dass der Bau vieler kleiner Dämme für die Wasserversorgung und die Bewässerung viel günstiger gewesen wäre. Doch so etwas ist kommerziell weniger interessant. Drittens gäbe es oft alternative Methoden des Wassermanagements oder Sparmöglichkeiten. Kleinräumige Sammeltechniken werden oft nicht angewandt oder finanziert, weil Regierungen lieber prestigeträchtige Großprojekte fördern und Konzerne damit mehr Geld verdienen können.Interview: Annette Jensen