Gewerkschaftsprotest global

Die Prediger und Profiteure einer grenzenlosen Freiheit des Markts haben uns in die globale Wirtschaftskrise gestürzt. Massenarbeitslosigkeit und sozialer Abstieg, noch mehr Hunger in den armen Ländern der Welt - das sind die Ergebnisse einer Finanzmarktkrise, die entfacht wurde durch skrupellose Spekulationen. In Deutschland wird der Einbruch bisher noch gedämpft durch die Kurzarbeit, von der bereits Hunderttausende betroffen sind, die dadurch empfindliche Einkommensverluste zu verkraften haben. Sofort in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden schon tausende von Leiharbeiter/innen, für den Sommer und Herbst sind Entlassungswellen bei den Stammbelegschaften angekündigt, und zwar quer durch alle Branchen.

In dieser dramatischen Situation agiert die Bundesregierung wie ein Ruderverein in rauer See, der das Leck im Boot mit Wattebällchen abdichten will. Die Konjunkturprogramme I und II sind im Umfang zu klein und in ihrer Struktur falsch. Die vorgesehenen Mittel für öffentliche Investitionen sind angesichts der Schärfe des wirtschaftlichen Einbruchs bei weitem zu gering, sie decken nicht einmal den ohnehin bestehenden Nachholbedarf in den öffentlichen Krankenhäusern. Und für Investitionen in mehr Personal, wie es im Bildungs- und Gesundheitswesen dringend gebraucht wird, sind überhaupt keine Mittel vorgesehen. Hinzu kommt ein Mix aus Steuer- und Abgabesenkungen, die statt bei den unteren und mittleren Einkommen abermals stärker bei den höheren zu Buche schlagen. Damit wird weder die Nachfrage gestärkt, noch werden Arbeitsplätze gesichert. Es wird hinausgezögert statt gegengesteuert, den Termin der Bundestagswahl immer fest im Blick.

Diese Politik der Flickschusterei und des Weiter-so können und wollen wir nicht akzeptieren: Wir brauchen ein Umsteuern jetzt. Dafür haben wir Vorschläge erarbeitet. Die Gewerkschaft ver.di hat ein Konzept für ein drittes Konjunkturprogramm entwickelt, es auf seine Wirksamkeit geprüft und seine Finanzierung durchgerechnet. "Sozialökologisch umsteuern - solidarisch finanzieren", das ist der Kern dieses Konzepts.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die vorgesehenen Ausgaben für öffentliche Investitionen mindestens zu verdoppeln - und sie gezielt in solche Projekte und Bereiche zu lenken, in denen Steuergelder nicht schon auf kurze Sicht verpuffen und zum Großteil nur als Schulden zu verbuchen sind, sondern wo mit ihnen öffentliche Werte geschaffen und dauerhaft erhalten werden: in der Erziehung und Bildung, in der Kranken- und Altenpflege, für den ökologischen Umbau und die Sanierung der öffentlichen Infra- struktur. In Jahren der permanen- ten Arbeitsplatzvernichtung sind die Beschäftigten in den Erziehungs- und Sozialberufen, in den Krankenhäusern und Pflegediensten an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit getrieben worden, fehlt es ebenso in den Schulen und Universitäten an Lehrpersonal. Hier müssen wieder Menschen eingestellt und angemessen bezahlt werden.

Wir brauchen eine Wende, eine gerechtere Verteilung der Lasten

Überdies fordert ver.di eine verstärkte öffentliche Auftragsvergabe für die Modernisierung und Sanierung von Krankenhäusern und Schulen, von Straßen, Eisenbahnnetzen und den Ausbau des öffentlichen Personen- nah- und -fernverkehrs. Damit wer- den die Arbeitsplätze in den Industrie- und Dienstleistungsbranchen ge- sichert, wird zusätzliche Beschäfti- gung geschaffen. Und jede Investi- tion, die der Staat in diesen Bereichen vornimmt, ist eine Anlage für die Zukunft von dauerhaftem Wert.

Um dieses Konzept des sozialökologischen Umsteuerns zu finanzieren, bedarf es einer politischen Wende hin zu einer gerechteren Lastenverteilung: Es müssen auch diejenigen herangezogen und angemessen besteuert werden, die bislang stets profitiert haben und nun sogar die Lasten der Krise nach unten verteilen wollen. Daher fordert ver.di unter anderem die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Reform der Erbschaftssteuer und die Besteuerung von Finanztransaktionsgeschäften. Es kann nicht sein, dass die Vielen die Spielschulden der Wenigen bezahlen sollen.

Wir sind die Vielen - und wir werden für unsere Ziele streiten. Für den 16. Mai rufen die Gewerkschaften Europas, zusammengeschlossen im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), zu einem europaweiten Aktionstag auf. In Prag, in Brüssel, in Madrid und in Berlin werden wir gemeinsam auf die Straßen gehen: Für ein soziales Europa, für eine Politik, die den Menschen und ihrer Zukunft dient und nicht den Gewinninteressen einiger Weniger. Für eine Politik, die Arbeitsplätze sichert und Regeln gegen den Hungerlohn einzieht. Für eine Politik, die Chancengleichheit für unsere Kinder und Jugendlichen schafft, für ein Europa, in dem Menschen in Würde alt werden können. Wir wollen einen sozialen Neubeginn.

Infos zur Demo in Berlin in den ver.di-Geschäftsstellen und unter: www.sechzehnter-mai.de