ver.di PUBLIK prüft die Standpunkte der großen Hamburger Parteien

Bei der Europawahl geht es um eine Weichenstellung: Der bisherige einseitige Vorrang der Kapitalfreiheit bei der Gestaltung Europas muss beendet werden. Wir brauchen stattdessen einen Vorrang für die Rechte der Arbeitnehmer/innen, für Solidarität und soziale Sicherheit.

Wir brauchen den Mindestlohn. Hier muss Deutschland nachholen, was die meisten europäischen Länder schon haben. Für die EU wollen wir einheitliche Standards für Mindestlöhne erreichen, gemessen an den jeweiligen Durchschnittslöhnen.

Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" ist für uns zentral für ein solidarisches Europa. Wir Arbeitnehmer/innen wollen uns nicht länger gegeneinander ausspielen lassen, sondern fair zusammenarbeiten - überall in Europa. Die Politik muss Lohndumping und die Zerstörung regulärer Jobs beenden.

In der europäischen Politik und auch in der Rechtsprechung müssen die sozialen Grundrechte endlich Vorrang bekommen vor den Kapitalfreiheiten. Das Europaparlament muss hierfür Verantwortung und Führung übernehmen.

WOLFGANG ROSE


Knut Fleckenstein (SPD)

Dumpinglöhne sind würdelos und schaden der Volkswirtschaft. In Europa haben die meisten Länder längst Mindestlöhne und nirgends kostet es Arbeitsplätze. Deshalb muss auch in Deutschland schnell ein Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro kommen. In der EU brauchen wir gemeinsame Standards für Mindestlöhne, orientiert an den jeweiligen Durchschnittslöhnen.

Ja, unbedingt. Die Praxis, Arbeitnehmer aus verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen, muss beendet werden. Dafür wollen wir die Entsenderichtlinie der EU sowie die Richtlinie zur Leiharbeit entsprechend erweitern und präzisieren

In den letzten Jahren wurde in Europa einseitig die Marktfreiheit gegenüber den sozialen Rechten der Bürger begünstigt. Auch deshalb haben viele Menschen Skepsis gegenüber einem Europa, das ihnen als arbeitnehmerfeindlich erscheint. Sozialdemokraten wollen das ändern: Durch eine andere politische Leitlinie anstelle des bisher vorherrschenden Neoliberalismus und durch eine Fortschrittsklausel im EU-Recht, die auch bei rechtlichen Entscheidungen den Vorrang der sozialen Grundrechte sichert.


Birgit Schnieber- Jastram (CDU)

Die Mitgliedsstaaten sollen weiterhin individuell entscheiden, ob sie einen Mindestlohn einführen oder nicht. Wir lehnen einen europaweiten Mindestlohn ab. Die EU hat auf diesem Gebiet keine Kompetenzen. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn wird den Gegebenheiten in den verschiedenen Branchen und Regionen nicht gerecht.

Das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" findet unsere volle Unterstützung und darf nicht aufgeweicht werden. Zur Durchsetzung brauchen wir keine Änderung der Entsenderichtlinie, sondern lediglich deren konsequente Umsetzung in den Mitgliedsstaaten.

Die soziale Marktwirtschaft muss das Leitprinzip europäischer Wirtschafts-, Finanz-, und Sozialpolitik sein. Ihre Stärke ist, dass Freiheit und Verantwortung, Wettbewerb und Solidarität eine Einheit bilden und einander fördern. Durch die untrennbare Verbindung von freiheitlicher Wirtschafts- und solidarischer Sozialordnung schafft sie Wachstum und Arbeitsplätze und sorgt gleichzeitig für sozialen Ausgleich.


Dr. Helga Trüpel (GAL)

Wir brauchen EU-weite Mindestlohnregelungen, die den Menschen ein armutsfestes und auskömmliches Einkommen garantieren. Deshalb fordere ich gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne, die relevant über der Armutsgrenze liegen. Mindestlöhne helfen, die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen zu beenden.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU, die in einem anderen EU-Land tätig sind, müssen mit dortigen Arbeitskräften gleichgestellt werden. Um Kontrollen gewährleisten zu können, müssen die Mitgliedsstaaten ihre Überwachungs- und Ordnungsrechte in vollem Umfang ausüben können.

Die Europäische Union ist für mich als Grüne kein Projekt der Wirtschaftseliten, sondern eines aller Bürgerinnen und Bürger. Der EU-Binnenmarkt ist kein Ziel, sondern Mittel zum Zweck der europäischen Integration. Die EU ist für mich mindestens genauso auch eine Solidargemeinschaft. Der Grundstein ist im - noch nicht ratifizierten - Lissabon-Vertrag gelegt, der ein klares Bekenntnis zum sozialen Schutz abgibt.


Sabine Wils (Die Linke)

In 21 von 27 EU-Mitgliedstaaten gibt es flächendeckende Mindestlöhne. DIE LINKE unterstützt die Forderung des Europäischen Parlaments, dass die EU eine Zielvorgabe zum Niveau von Mindestlöhnen in Höhe von mindestens 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns vereinbart, um Armut trotz Erwerbsarbeit zu verhindern. Zu dieser Forderung habe ich in der Europäischen Linken (EL) im Gewerkschafter/innen-Netzwerk auch einen Beitrag geleistet.

Eine Möglichkeit zur Durchsetzung ist die Einführung eines bundesweiten gesetzlichen Mindestlohns, wie er von den Gewerkschaften und der LINKEN gefordert wird. Leiharbeiter/innen müssen vom ersten Tag an den gleichen Lohn bekommen wie die Stammbelegschaft.

Ich lehne den Vertrag von Lissabon ab, weil der Schutz von Grundrechten und insbesondere des Streikrechts und der Tarifvertragsfreiheit immer Vorrang vor den europäischen Binnenmarktfreiheiten haben muss. DIE LINKE fordert, eine "Soziale Fortschrittsklausel" im EU-Primärrecht (als Protokoll zu den EU- Verträgen) zu verankern.


Verner Mertins (FDP)

Gesetzliche Mindestlöhne lehnen wir als Eingriff in die Tarifautonomie ab. Zu niedrige Mindestlöhne ziehen knapp darüber liegende Löhne nach unten. Zu hohe führen zum Abbau von Arbeitsplätzen oder zur Verlagerung, raus aus der EU oder in die Schwarzarbeit. Nur Tarifpartner können einen richtigen Lohn festsetzen. Staatliche Sozialleistungen wirken faktisch wie ein Mindestlohn.

Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" muss von Tarifpartnern durchgesetzt werden, die gleich stark sind. Die EU muss den Gewerkschaften helfen, sich europaweit genauso gut koordinieren zu können wie die Arbeitgeber.

Ohne Demokratisierung der EU sollen nicht noch mehr Rechte von gewählten Parlamenten zu EU-Beamten verlagert werden. Die hohen deutschen Sozialstandards müssen nationales Thema bleiben, damit sie nicht durch die EU gesenkt werden können. Das Verhältnis von EU und Nationalstaat muss so reguliert werden, dass Entscheidungen möglichst nah beim Bürger getroffen werden.

Schwerpunkt Seite 3

Frage 1: Sind Sie für einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn? - Wenn nein, warum nicht? - Wenn ja, wie könnte ein europäisches Mindestlohnkonzept aussehen?

Frage 2: Unterstützen Sie den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort"? - Wenn nein, warum nicht? - Wenn ja, wie kann er in Europa durchgesetzt werden?

Frage 3: Soll das Verhältnis von Markt, Wettbewerb, Sozialstandards und Regulierung in Europa verändert werden? - Wenn nein, warum nicht? - Wenn ja, wie?