Ausgabe 05/2009
Kurze erste Tarifrunde
Arbeitgeber ohne Angebot, Kolleg/innen planen Aktionen
Mit einer Demonstration durch die Erfurter Innenstadt begingen am 21. April 400 Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Auftakt für die anstehenden Tarifverhandlungen im Einzel- und Großhandel
VON BIRGIT TRAGSDORF
Seit Wochen waren die ver.di-Forderungen klar formuliert: 135 Euro auf die Löhne und Gehälter, 50 Euro für die Azubis. Die Reaktion der Arbeitgeberseite war enttäuschend für Sylvia Hake und ihre Kolleg/innen aus der Tarifkommission: Ein Angebot gab es nicht, der nächste Termin ist am 18. Mai. Die Argumente waren fadenscheinig - zwischen großer Krise und kommendem Umsatzrückgang.
Viele Leute, wenig Stunden
Sylvia Hake und ihre Kolleginnen motiviert dies erst recht, sich nicht damit abzufinden, für ihre Arbeit zu schlecht bezahlt zu werden. "Wir haben lange stillgehalten, nun müssen wir was tun", sagt sie. Ihr Arbeitsplatz ist seit elf Jahren die Kasse im Real-Markt Hermsdorf/Irxleben in Sachsen-Anhalt.
Betriebsrätin Sylvia Hake
Sylvia ist dort seit drei Jahren Betriebsrätin und seit letztem Jahr in der Tarifkommission. Sie bestätigt: Das Klima für Beschäftigte hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Vier bis sechs Stunden beträgt die Arbeitszeit pro Tag. Vollzeit arbeiten nur die Teamleiter. Das ist so gewollt: viele Leute mit wenig Stunden. Wer einen langen Arbeitsweg hat, kommt noch schlechter weg. Als Zuverdienst ist das schon wenig, doch wer davon leben muss, kommt ohne staatliche Transferleistungen nicht aus.
Die meisten Kolleginnen haben eine Sechs-Tage-Woche, freie Sonnabende sind rar, hinzu kommt die Arbeitsverdichtung. In Stoßzeiten helfen Leute aus der Verwaltung an den Kassen aus. Auch für die Kunden gibt es Nachteile: Abends sind einige Abteilungen nicht mehr besetzt. Mit den Kunden wollen sie ins Gespräch kommen und erklären, warum sie für bessere Bezahlung auch streiken werden. Sie wollen nicht hinnehmen, dass Wettbewerbsvorteile im Einzelhandel auf Kosten der Beschäftigten erzielt werden.
Im letzten Jahr war die Streikbeteiligung im Real-Markt noch gering. "In diesem Jahr werden mehr auf die Straße gehen", ist sich Sylvia Hake sicher. Von den 142 Kolleginnen sind 60 in ver.di organisiert. Von den Betriebsräten und Mitgliedern der Tarifkommission erfahren sie, dass im Konzern der Umsatz 2008 um 5,8 Prozent stieg. Davon wollen sie einen angemessenen Anteil haben. Fair heißt mehr. Und wenn sie mehr in der Börse haben, werden sie auch selbst mehr einkaufen können. Ganz im Sinne ihrer Arbeitgeber.
Das fordert ver.di für den Einzelhandel:
- Erhöhung der Einkommen um 7 Prozent, also 135 Euro
- Erhöhung der Auszubildendenvergütung um monatlich 50 Euro
- Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro für nicht-tarifgebundene Unternehmen
Das fordert ver.di für den Großhandel:
- Sachsen: Erhöhung der Löhne und Gehälter um 150 Euro sowie der Auszubildendenvergütung um monatlich 40 Euro
- Sachsen-Anhalt: für alle Beschäftigten und Azubis 8 Prozent
- Thüringen: 8 Prozent, mindestens 150 Euro, Erhöhung der Auszubildendenvergütung um monatlich 50 Euro
Insgesamt arbeiten im Einzelhandel der drei Länder rund 256000 Kolleginnen und Kollegen, etwa die Hälfte von ihnen in tarifgebundenen Unternehmen. Im Großhandel sind 101000 Menschen beschäftigt.