Schrott in Beiboote umlagern

Der Bundestag beschließt Regeln für Bad Banks. So soll der Kreditmarkt wieder in Schwung kommen. Für die Steuerzahler wird das teuer

Entspannt euch, Jungs. Der Staat übernimmt die Haftung

Von Annette Jensen

Nun ist klar: Die Bad Banks werden kommen. Der Bundestag hat Anfang Juli ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Sinn der Sache ist, die gesunden Teile der Banken von Schrottpapieren zu entlasten. Die Bundesregierung hofft, durch die Trennung von "Good" und "Bad Banks" das Vertrauen der Kreditinstitute untereinander wieder herzustellen. Ihr Argwohn hat dazu geführt, dass sich die Banken untereinander kaum noch Geld leihen - deswegen haben auch viele Betriebe große Schwierigkeiten, Darlehen zu erhalten. Reihenweise Pleiten sind die Folge. Dabei ist es die ureigenste und volkswirtschaftlich wichtigste Aufgabe von Banken, Unternehmen mit Kapital zu versorgen, damit die investieren und die Wirtschaft in Schwung halten.

Die Einrichtung einer Bad Bank ist freiwillig. Die Mitarbeiter werden Beschäftigte des Mutterhauses bleiben. Vergeblich hatte ver.di dafür gekämpft, eine Beschäftigungssicherung in das Gesetz hineinzuschreiben. Ob viele Privatbanken sich tatsächlich zum Bau eines "Beiboots" entschließen, ist allerdings unklar: Schließlich sind die Managergehälter dann auch im Hauptschiff auf 500 000 Euro im Jahr begrenzt.

Durch die Schrottpapiere, die die Banken in den vergangenen Jahren eingekauft hatten, werden Ausfälle von 200 bis 300 Milliarden Euro erwartet; manche Experten halten es aber auch für möglich, dass noch weitaus mehr faule Kreditforderungen im Umlauf sind. Erst in 20 Jahren wird endgültig klar sein, wie viel oder wenig sie letztendlich noch wert waren - und wie viel der Steuerzahler dafür aufwenden musste.

Risiken für die Allgemeinheit

Im Gegensatz zu den "Good Banks" müssen die "Bad Banks" kein Eigenkapital zur Absicherung dieser Kredite vorhalten. Der Staat haftet für Rückzahlung und Zins der Schuldverschreibungen und verlangt dafür Gebühren. Den Lobbyisten der Banken ist es kurz vor Verabschiedung des Gesetzes gelungen, einen für sie wesentlich günstigeren Bewertungszeitpunkt der Papiere durchzudrücken - wodurch die Risiken für die Allgemeinheit steigen.

Bei der Beteiligung der Banken an den Verlusten werden Privat- und Landesbanken zudem unterschiedlich behandelt. Von den Privatbanken wird lediglich der Verzicht auf Dividendenausschüttungen und damit eine Gewinnabschöpfung verlangt. Dagegen müssen Länder und Sparkassen in weit höherem Umfang für die Verluste der Landesbanken gerade stehen. Die Sparkassen hatten sich intensiv gegen ihre Benachteiligung gegenüber den Privatbanken gewehrt und am Ende erreicht, dass ihre Haftung nun stark begrenzt ist. In den vergangenen Monaten haben sie bereits viel Geld in die maroden Landesbanken gepumpt - obwohl sie selbst in der Krise recht gut dastanden.

Die Sparkassen haben durch ihre Konzentration auf die regionale Wirtschaft wesentlich weniger Risiken angesammelt als die Großbanken. Auch das volkswirtschaftlich notwendige Kreditgeschäft haben sie längst nicht so stark vernachlässigt wie die international agierenden Finanzhäuser. Fast jedes zweite Darlehen, das in Deutschland in den letzten Jahren an eine Person oder eine Firma außerhalb des Finanzsektors vergeben wurde, stammt von einer Sparkasse.

Kasino wieder geöffnet

Derweil Staat und Steuerzahler noch viele Jahre an den Folgen der Finanzkrise zu leiden haben, ist das globale Finanz-Kasino schon wieder eröffnet. Sowohl die New Yorker Großbank Goldman Sachs als auch die Deutsche Bank vermeldeten für das erste Quartal satte Gewinne von jeweils über 1,2 Milliarden Euro. Nach einem kurzen Dämpfer verdienen sie prächtig an der Krise. Die Staaten haben hohen Finanzbedarf, und auch Unternehmensanleihen sind für die Großbanken ein gutes Geschäft. 84 Prozent ihres Gewinns erwirtschaftete die Deutsche Bank erneut mit riskantem Investmentbanking, hat der DGB ausgerechnet. Nur mickrige zwei Prozent kommen aus dem Privat- und Firmenkundengeschäft. Die Gefahren für die großen Banken sind nicht allzu groß. Sie wissen ja: Im Zweifel wird der Staat einspringen - schließlich gelten international agierende Finanzhäuser als "systemrelevant". So ist nicht erstaunlich, dass Analysten schon wieder den Kauf von Investmentbankaktien empfehlen.

Eine grenzüberschreitende Überwachung der Finanzinstitutionen und Produkte ist indes noch nicht in Sicht. Zwar haben sich Notenbankvertreter Ende Juni in Basel getroffen, um über eine bessere Zusammenarbeit zu beraten. Doch konkrete Ergebnisse lassen auf sich warten.

Darüber hinaus ist absehbar, dass ausgerechnet die Banken, die nicht zocken und sich aufs Kreditgeschäft konzentrieren, in den kommenden Monaten in große Bedrängnis geraten werden. Viele Firmen der Realwirtschaft werden aufgrund der Wirtschaftskrise ihre Raten nicht mehr zahlen können. Wirtschaftswissenschaftler rechnen mit zahlreichen Firmenzusammenbrüchen. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert Kreditausfälle in Europa bis zum Jahr 2010 von über 600 Milliarden Euro. Dass die Bad Banks die Kreditklemme verhindern werden, ist also unwahrscheinlich.

Fragen Sie die Politiker selbst

Abgeordnetenwatch.de | Mit neuem Service will das politische Internet-Portal

den Dialog zwischen Bürgern und Politikern beflügeln

Noch heute kann Michael Neumann (SPD) gut in die Webcam von abgeordnetenwatch.de lachen. War er doch 2004 der erste Wahlkandidat, der sich über das Dialog-Portal öffentlich den schriftlichen Fragen von Bürger/innen aus Hamburg stellte; das Interview dazu kann man sich auf www.abgeordneten watch.de heute noch ansehen.

Damals kandidierte Neumann für die Hamburgische Bürgerschaft. Die Wahl verwies den heutigen Vorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion zwar in die Opposition, doch im Internet war er mit seiner frühzeitigen Beteiligung eine Art Pionier. Andere Politiker taten sich nämlich zunächst schwer, sich und ihre politischen Ansichten öffentlich einsehbar mit Kreti und Pleti zu diskutieren; das war dann doch zu viel der Bürgernähe.

Inzwischen hat der Erfolg des gemeinnützigen Projekts die Zögerer und Antwortverweigerer entweder in die Flucht der Standard-Antwort geschlagen oder zum Umdenken bewegt. Kaum ein Abgeordneter oder gar Spitzenkandidat will mehr auf die werbewirksame Präsenz bei abgeordnetenwatch.de verzichten. "Im Bundestag liegt die Beteiligungsquote heute konstant bei 90 Prozent, zehn Prozent reagieren gar nicht oder schicken Standards", erläutert Michael Reyher, Sprecher von abgeord netenwatch.de.

Gerade diese "Standard-Antworten" werden von Kritikern missbilligt. Sie gestatten es den Volksvertretern, sich mit Floskeln aus der Affäre zu ziehen. Doch sie sind bewusst erlaubt, denn "jeder soll einen unverfälschten Eindruck bekommen und dann seine Schlüsse ziehen. Wir wollen nichts vorgeben, wir stellen dar und die User können sich ihr eigenes Bild machen", so Reyher.

Maulfaule auf einen Blick

Durch Eingabe der Postleitzahl oder des Namens des gesuchten Politikers gelangt man zu dessen persönlichem Profil und zur Eingabemaske für die jeweiligen Fragen. Auch das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten wird dokumentiert; recherchiert werden alle Informationen durch die Mitglieder der Portal-Redaktion. Viel Spaß machen die Balken, die die Antwortquote der Befragten darstellt. Auf einen Blick trennen sich so die antwortfreudigen von den eher maulfaulen oder besonders langsamen Kandidaten.

Die Seite, die auch bei vergangenen Landtags- und Europawahlen schon gut funktioniert hat, soll jetzt für die kommende Bundestagswahl um neue Funktionen erweitert werden. Nach dem Relaunch im Juli können Kandidaten ihr von der Redaktion erstelltes und recherchiertes kostenloses Grundprofil updaten - gegen Gebühr, aber mit dem Vorteil eines "Frühbucherrabatts". Das eingenommene Geld soll der Deckung der Projektkosten dienen.

Auch an neue Funktionen für die User wird gedacht. "Wir werden noch mehr Möglichkeiten zur Recherche und Infobeschaffung anbieten", sagt Reyher und freut sich über den "wahren Infoschatz", den sie über die Jahre angehäuft haben. Die Zahlen geben ihm Recht. In der letzten Legislaturperiode wurden auf abgeordnetenwatch.de 37 164 Fragen an Politiker und Kandidaten gestellt, 31 216 davon wurden auch beantwortet. Wie zufriedenstellend diese ausfallen, muss jeder selbst bewerten. Jenny Mansch

Parteien zur Wahl

Frauen | Wie sehen die Parteien die Alterssicherung von Frauen? Diese Fra- ge steht im Mittelpunkt der 5. Frauen- Alterssicherungskonferenz der ver.di-Bereiche Sozialpolitik sowie Frauen- und Gleichstellungspolitik. Am 13. August werden sich in der ver.di-Bundesverwaltung Vertreter/innen der Parteien auch Fragen zur Eigenständigkeit von Frauen im Erwerbsleben und der sozialen Alterssicherung stellen.

www.verdi.de/sozialpolitik