Sabine Reiner ist Leiterin des Bereichs Wirtschaftspolitik bei ver.di

Einen Kredit aufnehmen für nur ein Prozent Zinsen, wer würde das nicht gerne? Genau das gibt es neuerdings bei der Europäischen Zentralbank (EZB), allerdings nur für Banken. Seit Dezember hat die EZB über eine Billion Euro zum Spottpreis verliehen. Sie sieht sich zu dieser Aktion genötigt, weil viele Banken wackeln und, wie nach Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008, erneut viel zu zögerlich Kredite sowohl an Unternehmen wie an Staaten vergeben. Die Flut billigen Geldes erfüllt durchaus ihren Zweck: Banken kaufen damit wieder vermehrt zum Beispiel spanische oder italienische Staatsanleihen. Dadurch sind die zeitweise auf fast sieben Prozent hoch geschossenen Zinsen wieder etwas zurückgegangen. Zum Vergleich: Deutschland oder Frankreich zahlen zwei bis drei Prozent.

Doch der Preis, zu dem die EZB "die Märkte beruhigt", ist skandalös hoch. Banken verdienen sich an der Zinsdifferenz goldene Nasen. Die EZB vergibt die Kredite ohne jede Bedingung. Banken können das billige Geld auch für großzügige Bonuszahlungen einsetzen oder mit Kampfangeboten den solider wirtschaftenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken Kundeninnen und Kunden abjagen. Zu Recht schimpft Sparkassenpräsident Heinrich Haasis, dass den Wettbewerbern die Gewinne "ins Haus getragen werden". Von einer solchen Subvention können die Kolleginnen bei Schlecker nur träumen!

Noch skandalöser ist, dass Staaten bei der Refinanzierung ihrer Schulden auf Gedeih und Verderb Ratingagenturen und Finanzinvestoren ausgeliefert bleiben. Statt günstige Kredite direkt an klamme Staaten zu vergeben, nimmt die EZB den Umweg über Banken. Die Bundesregierung und Bundesbanker schimpfen selbst auf diesen Umweg, blockieren aber gleichzeitig jede Erleichterung bei der Kreditvergabe. Die Ideologie dahinter: "Die Märkte" sollen weiterhin als Brechstange für angeblich notwendige "Reformen" genutzt werden, im Klartext: für eine rabiate Kürzungspolitik.