ERZIEHERINNEN I Länder an Kosten beteiliegen

Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Leiter des Deutschen Jugendinstituts in München (DJI)

Eine bessere Bezahlung hat ver.di gerade erkämpft. Prof. Dr. Thomas Rauschenbach fordert jedoch für Erzieher/innen vor allem eine innovativere Ausbildung.

ver.di PUBLIK | Was haben wir aus PISA gelernt? Rauschenbach | Dass soziale Komponenten – Herkunft, Migrationshintergrund, Bildungsabschluss der Eltern - die PISA-Ergebnisse mehr beeinflussen als die Schule selbst. Zudem ist in der Folge eine Kita-Debatte über die ersten besonders wichtigen Lebensjahre entstanden. Dieses Potenzial muss besser genutzt werden.

ver.di PUBLIK | Brauchen Erzieher/innen einen Fachhochschulabschluss? Rauschenbach | Ja. Ich plädiere schon viele Jahre für ein Hochschulstudium. Eine gute Ausbildung ist das A und O in pädagogischen Berufen. Und es gibt keine nachvollziehbaren Gründe, dass für alle pädagogischen Berufe ein Hochschulabschluss erforderlich ist – nur nicht für Erzieher/innen. Das Motto "Erziehen kann doch jeder" gehört in die Mottenkiste. Inzwischen bieten bereits 50 Fachhochschulen und Unis hierzu neue Studiengänge an. Wenn die Akademisierung im frühkindlichen Bereich allerdings im bisherigen Tempo weiterläuft, dann brauchen wir noch etwa 150 Jahre.

ver.di PUBLIK | Wie kann eine Qualifizierung der berufstätigen Erzieher/innen aussehen? Rauschenbach | Zunächst: Erzieher/innen sind besser als ihr Ruf. Sie absolvieren eine zweijährige vollzeitschulische Ausbildung und ein Praxisjahr. Doch irgendwann muss man einen Schnitt machen und die Ausbildungsmöglichkeiten für dieses Berufsfeld gezielt verbessern. Das DJI hat gerade mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Bosch Stiftung gemeinsam eine Weiterbildungsinitiative für frühpädagogische Fachkräfte, kurz WIFF, auf den Weg gebracht. Nach dem Motto ‚Aufstieg durch Bildung' ist das Ziel, Innovationen auch im Weiterbildungssystem frühpädagogischer Fachkräfte zu initiieren und zu fördern.

ver.di PUBLIK | In Frankreich werden in den Kitas schulische Lerninhalte vermittelt. Ein Vorbild? Rauschenbach | Der Vater des Kindergartens, Fröbel, wollte zwar einen pädagogischen Ansatz, aber nicht unbedingt einen schulischen. Deutschland hat sich vor 90 Jahren entschieden, aus Kitas keine schulähnlichen Einrichtungen zu machen. Aus meiner Sicht ist das der richtige Weg. Das DJI unterstützt seit langem das offene, situationsorientierte Lernen in der Kita, da Spiel eine kindgerechte Form des Arbeitens ist.

ver.di PUBLIK | Auf welcher Seite standen Sie angesichts der Streiks? Rauschenbach | Auf beiden Seiten. Natürlich sollten Erzieher/innen besser bezahlt und auch die Gesundheitsaspekte stärker beachtet werden. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Studie über deren gesundheitliche Risiken. Dabei ist ganz offenkundig, dass keine andere pädagogische Berufsgruppe solch körperlichen Belastungen ausgesetzt ist. Doch auch die Kommunen als Arbeitgeber kann man mit dieser Herausforderung nicht allein lassen, zumal ihre Lage aufgrund der Steuereinbrüche nicht besser werden dürfte. Und so lange Länder gebührenfreie Kitas und Horte einführen, müssen diese auch in die Mitverantwortung.www.dji.de