Politiker und Pädagogen wollen Kitas zu Bildungseinrichtungen machen. Zunehmend gibt es auch Studienangebote für Erzieherinnen. Doch die Rahmenbedingungen des Berufsfelds stimmen nicht

Von Sabine Damaschke

Nie lernt es sich so leicht wie im Kitaalter

Im deutsch-französischen Kindergarten in Wuppertal schmücken Herbstblätter Köpfe, Füße und Hände der Kinder. Zum Rhythmus der Trommel balancieren zehn Fünfjährige das Herbstlaub. "Mann, ist das schwer, das verrutscht ja immer", schimpft Marcel und blickt seinem Blatt nach, das zu Boden gleitet. Es plumpst nicht, es schwebt. Die Kinder versuchen, den Fall des Blattes zu imitieren. Durch Spielen lernen sie, was Schwerkraft bedeutet.

"Wir wollen Wissen für Kinder mit allen Sinnen erfahrbar machen", sagt Erzieherin Heike Holland. Sie lernen anhand der Blätter Form und Farbe kennen, sie riechen, fühlen und sprechen über die Natur, machen Fotos von Baumrinden und Tierhäuten und merken, dass sich beide stark ähneln. "Bildung verstehe ich als ganzheitlichen Lernprozess", sagt Holland.

Gemeinsam mit sieben Kolleginnen entwickelte die 43-Jährige in einem Frühförderprojekt der Akademie Remscheid 100 methodische Bausteine für die kulturelle Bildung von Vorschulkindern. Die sollen Wissen spielerisch vermitteln. Schließlich soll ja in deutschen Kitas mehr gelernt werden - darin sind sich Pädagogen und Politiker einig. Eine Voraussetzung zur Erfüllung des Bildungsauftrags sehen viele in der Akademisierung des Berufes der Erzieherin.

Nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München haben nur 2,6 Prozent der pädagogischen Fachkräfte studiert. Das könnte sich bald ändern. Fachhochschulen in Hannover, Berlin, Oldenburg und die Universität Bremen bieten einen dreijährigen Bachelor-Studiengang in Elementarpädagogik an. In vielen Bundesländern entstehen Aufbau-Studiengän?- ge zur "frühkindlichen Bildung". Hier können sich Erzieher/innen weiterqualifizieren, die eine dreijährige Ausbildung an einer von 360 Fachschulen für Sozialpädagogik absolviert haben. Je nach Hochschule und Bundesland müssen sie aber Abitur oder Fachabitur vorweisen - was viele Fachschulabsolventinnen nicht können, weil sie als Eingangsqualifikation eine zweijährige Ausbildung als Kinderpflegerin oder Sozialassistentin mitgebracht hatten.

"Bis eine Erzieherin in ihrem Beruf arbeitet, hat sie in der Regel fünf Jahre Ausbildung hinter sich", erklärt Alexander Wegner, Leiter der Fachgruppe Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe bei ver.di. Danach verdient sie als Berufsanfängerin durchschnittlich 1960 Euro brutto auf einer Vollzeitstelle. Gemessen an den Ausbildungsjahren sei das jetzt schon zu wenig. Eine noch längere Qualifizierung erfordere höhere Gehälter. "Wir brauchen hier dringend eine Aufwertung des Berufs", fordert Wegner. Dass dafür die Akademisierung der Ausbildung ausreicht, bezweifelt er. "Wir müssen auch die Arbeitsbedingungen in den Blick nehmen."

So sind laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts in München nur rund 40 Prozent der Erzieherinnen Vollzeit beschäftigt; bundesweit ist das Beschäftigungsvolumen in den letzten Jahren um 2500 Ganztagsstellen geschrumpft. Mehr als jede dritte Erzieherin hat einen befristeten Vertrag.

Trotz aller Versprechungen, stärker in Bildung von Kindern zu investieren, behindern auch Länder und Kommunen reale Verbesserungen. Das neue Kinderbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen ist ein Beispiel dafür. Für jedes Kind gibt es eine Kopfpauschale - die Träger sind gezwungen, ihr Personal flexibel zu beschäftigen. "Befristete Teilzeitmodelle und Entlassungen werden für pädagogische Fachkräfte die Folge sein", erwartet Wegner.

Für sechs bis sieben Kleinkinder gibt es in Deutschland einen Erzieher. Sind die Mädchen und Jungen zwischen drei und sechs Jahre alt, ist er oder sie sogar für mindestens 13 Kinder verantwortlich. In anderen EU-Ländern liegt der Personalschlüssel oft bei eins zu vier. "Schlechte Voraussetzungen für eine Bildungsoffensive", bemängelt Ulrich Baer von der Akademie Remscheid. Wertvolle Jahre würden verschenkt. "Nie nehmen Kinder so leicht Wissen auf wie im Alter unter sechs Jahren."

Brücke zwischen Theorie und Praxis

Die Akademie Remscheid ist das zentrale Institut für kulturelle Jugendbildung in Deutschland. Zum Angebot zählt ein breit gefächertes Fortbildungsprogramm für Fachkräfte der Jugend-, Sozial-, Bildungs- und Kulturarbeit, die Beratung von Organisationen und die Entwicklung neuer Praxismodelle.

www.akademieremscheid.de

www.projekt-gfki.de