Als Mutter einer schulpflichtigen Tochter steckt Birgit Braitsch mitten drin in Problemen des deutschen Bildungswesens, die zum Teil absurd anmuten: mangelnde Planung, überflüssig weite Schulwege, schlechte beziehungsweise provisorische Unterbringung von Schülerinnen und Schülern, zu große Klassenstärken, zu wenig Lehrer/innen, massiver Unterrichtsausfall. Solche Themen sind nicht nur in Hessen echte Dauerbrenner - für die Eltern ebenso wie für die politische Auseinandersetzung. Aber als Leiterin des hessischen ver.di-Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung fragt sich die Gewerkschafterin: Wie sieht die spezifische Position von ver.di aus? Gibt es die eigentlich?

Lebenslanges Lernen

Besonders in der Schulpolitik sieht sie einen konzeptionellen Nachholbedarf bei ver.di. Der Fachbereich, in dem sie arbeitet, konzentriert sich in der Hauptsache auf Wissenschaft und Forschung, also auf den Hochschulbereich. Auch bei der Protestbewegung gegen die Studiengebühren war ver.di aktiv. Bis zu diesem Lebensabschnitt eines Heranwachsenden hat es jedoch schon viele Weichenstellungen gegeben, oft zufällige, in Deutschland sind sie überdurchschnittlich oft der sozialen Herkunft geschuldet. Also muss ver.di bereits für frühere Etappen, nämlich für die Schulzeit und die Kleinkindzeit, Konzepte und Vorschläge erarbeiten, fordert Braitsch. Sie wünscht sich eine lebendige Debatte, die von allen Ebenen des Fachbereichs getragen und befördert wird.

Der immer gern verbreitete Spruch vom lebenslangen Lernen müsse endlich umgesetzt werden in ein umfassendes, ganzheitliches Gewerkschaftskonzept vom Kleinkindalter an. "Man muss hier bei ver.di mal auf den Busch klopfen", sagt Birgit Braitsch. Denn bislang ist vieles in ihren Augen noch unkoordiniertes Stückwerk. Hier wird sich um die Belange von Erzieherinnen gekümmert, dort geht`s um die Hochschulpolitik, daneben noch der weite Zweig der Weiterbildung.

Der Bildungsauftrag der Gewerkschaften sollte aber als ein integrierter verstanden werden, und das will Braitsch nicht aus den Augen verlieren. Selbstverständlich müsse ein solch ganzheitlicher Ansatz die sozialen und beruflichen Interessen der Beschäftigten im Bildungswesen erfassen. Eine komplexe Aufgabenstellung, die am besten von Gewerkschaften wahrgenommen werden kann. Braitsch: "Davon würde die ganze Gesellschaft profitieren."

REB