Blitzlichtgewitter in irgendeiner Hotelhalle. Mikrophone strecken sich Frank Bsirske und einem Herrn, dessen Namen man gleich wieder vergessen hat, entgegen. Das Ende einer Tarifrunde, die mehrere Wochen lang mit weiß-roten Fahnen und Trillerpfeifen-Konzerten die Fernsehabende eingeleitet hat. Eine Tarifrunde, mit der die Arbeitsbedingungen hunderttausender von Menschen geregelt werden.

Neue Firma, niedrige Löhne

Ein Tarifabschluss für die Rheinpfalz Telefonservice GmbH (RTG) in Kaiserslautern würde dagegen die Arbeitsbedingungen von rund 150 Menschen betreffen und es wahrscheinlich noch nicht einmal in die Lokalausgabe der Rheinpfalz schaffen. Das Callcenter wurde 1999 vom Verleger des Pfälzer Monopolblattes gegründet, um Arbeiten auszulagern, die bisher im Verlag selbst zu tariflichen Bedingungen ausgeführt wurden.

Neue Firma, neue Beschäftigte. Die wurden per Anzeige auf dem Arbeitsmarkt außerhalb des Verlages gesucht. Natürlich sind die Neuen froh, einen Job zu haben. Erst später kriegen sie mit, von wem sie eigentlich angelernt werden: von ihren Vorgängern, die sie nach und nach ersetzen sollen.

Wider das Gesetz

Der Flächentarifvertrag für die alten gilt für die neuen Beschäftigten nicht mehr. Er wurde ersetzt durch eine windelweiche Regelung mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund. Also handelt der Betriebsrat die Gehaltserhöhungen aus. Das verstößt zwar gegen einschlägige Gesetze, ist aber über Jahre die einzige Möglichkeit, nicht vollständig von der allgemeinen Entwicklung abgehängt zu werden. Dabei ist der Betriebsrat schon mit seinen originären Aufgaben vollständig ausgelastet und sowieso von der hohen Fluktuation und von Befristungen gebeutelt.

Nach zehn Jahren reicht es schließlich. Der Betriebsrat nimmt Verbindung mit ver.di auf, lässt sich beraten und schulen. Das hilft, aber schnell wird klar: Das Grundproblem ist der mangelhafte Tarifvertrag. Ein Haustarif muss her, die Gehälter sollen von der Gewerkschaft verhandelt werden, wie es im Gesetz steht. Heute sind 70 Beschäftigte Mitglied bei ver.di. Zurzeit wird am Entwurf eines Haustarifvertrages gearbeitet, der anschließend dem Arbeitgeber mit der Aufforderung zur Verhandlung über- geben werden soll.

Das wäre dann bereits Haustarifvertrag Nr. 16, den der Fachbereich Medien in Rheinland-Pfalz regelmäßig betreuen und immer wieder neu durchsetzen müsste. Über alle Fachbereiche hinweg gibt es in Rheinland-Pfalz über 40 Tarifverträge für Betriebsgrößen zwischen 40 und 4 000 Beschäftigten. Rund 12 000 Arbeitsverhältnisse werden im Land außerhalb der Flächentarifverträge geregelt. Dazu kommen noch ungezählte, etwa im Klinikbereich, die über mehrere Länder hinweg abgeschlossen werden.

Auf der Tarifflucht

Es müssten noch mehr sein, denn nur noch knapp die Hälfte der Beschäftigten in den ver.di-Branchen außerhalb des Öffentlichen Dienstes haben den Schutz eines Tarifvertrages, und die Tarifflucht geht ungebrochen weiter. Sie wird in den nächsten Jahren eher zunehmen und verstärkt auch Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge erfassen.

Zum Beispiel die Gemeinnützige Heimbetreibergesellschaft im Arbeitersamariterbund (ASB). Noch bis 2005 wurde für die 360 Beschäftigten der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angewandt. Seitdem sind die Löhne und Gehälter eingefroren. Bemühungen des Betriebsrates blieben bisher erfolglos. Im Sommer haben die Mitglieder von ver.di und GEW eine Tarifkommission gewählt und die Forderungen für einen Haustarifvertrag aufgestellt. Die Beschäftigten sollen wieder mit den Löhnen und Gehältern rechnen können, die ihre Kolleginnen und Kollegen bei gleicher Arbeit im Öffentlichen Dienst erhalten. Fortsetzung folgt.

In den nächsten Jahren werden zwangsläufig viele solcher Projekte neu aufgelegt werden. Ein Großteil der rund 5 000 Menschen, die jedes Jahr Mitglied von ver.di Rheinland-Pfalz werden, bringt die Forderung nach sicheren, verbindlichen Arbeitsbedingungen mit. Das ist eine Herausforderung: Auf der einen Seite weiterhin mit aller Kraft die "großen" Tarifrunden führen, weil sie den Standard setzen. Auf der anderen Seite genug Kraft entwickeln, um viele "kleine" Tarifrunden zu bewältigen, die in der Summe mindestens genauso viel Kraft kosten.