Auf dem City-Flughafen Mumbai: Bei Jet Airways wird gesreikt

Noch vor kurzem gab es in keiner privaten Airline Indiens eine Gewerkschaft. Weder bei Kingfisher, IndiGo, SpiceJet, GoAir, Paramount Airways oder Jet Airways war es Beschäftigten gelungen, eine Gewerkschaft zu gründen - anders als bei den staatlichen Air India und Indian Airlines, die komplett organisiert und zugleich gespalten sind: Jede Beschäftigtengruppe hat ihre eigene Gewerkschaft, insgesamt sind es über 20.

Vielleicht ändert sich das nach den jüngsten Auseinandersetzungen in der ökonomisch angeschlagenen Branche. Im Juni riefen drei Gewerkschaften bei Air India zum zweistündigen Warnstreik auf, um die pünktliche Auszahlung ihrer Gehälter durchzusetzen; das Management hatte angekündigt, mit zweiwöchigem Verzug zu zahlen. 13 000 Beschäftigte machten mit. Es folgten die Piloten von Jet Airways. Sie gründeten erstmals eine Gewerkschaft, die National Aviator Guild (NAG) - und sahen sich den Attacken eines antigewerkschaftlichen Managements ausgesetzt. Zwei Initiatoren wurden sofort entlassen, um die Gründung im Ansatz zu stoppen. Erst im Verlauf der Auseinandersetzung kam zutage, dass das Management sich gegenüber Geldgebern verpflichtet hatte, keine Gewerkschaft zuzulassen - unter Bruch des Arbeitsrechts. Sieben Beschäftigte genügen in Indien, um eine Gewerkschaft zu gründen, die dann noch offiziell registriert werden muss. Diese Lücke zwischen Gründung und Registrierung nutzte das Management für den Rausschmiss der Piloten. Es verweigerte Gespräche mit den Vertretern der Piloten, ließ gesetzte Fristen verstreichen, setzte darauf, dass die noch nicht registrierte Gewerkschaft nicht zum Streik aufrufen könne und war sich einer zumindest neutralen, teils parteilichen Presse sicher. Doch das Management hatte die Rechnung ohne die Piloten gemacht. Am 8.September traten mehr als 460 der 730 Jet Airways-Piloten in den "mass sick leave": Sie meldeten sich krank. Zahllose Flüge mussten gestrichen werden. Als das Management andere Airlines bat, Jet Airways-Flüge abzuwickeln, hatte es nicht mit den Piloten von Air India gerechnet. Sie kündigten an, nicht mitzumachen, wenn Air India Jet Airways unterstützen sollte. Nach fünf Tagen Arbeitskampf lenkte Jet Airways ein. Die Piloten wurden wieder eingestellt, die Gewerkschaft NAG hält ihren Registrierungsantrag aufrecht.

Kühne Vision

Und es ging noch weiter: Ende September meldeten sich 200 Piloten von Air India krank. In der staatlichen Airline sollten die vertraglich zugesicherten, produktivitätsbezogenen Gehaltszuschüsse halbiert werden. Nach vier Tagen wurde der Arbeitskampf ausgesetzt. Das Luftverkehrsministerium hatte erklärt, dass es nicht zu Kürzungen kommen solle, Einzelheiten würden verhandelt. Doch Ende November gab es noch kein Ergebnis und war nicht abzusehen, wann der Konflikt beigelegt wird.

Die Gewerkschaften von Air India, Indian Airlines und die Pilotengewerkschaft der Jet Airways beraten nun über die Bildung einer Branchengewerkschaft für die 50 000 Beschäftigten aller Airlines. Es ist offen, ob das gelingt, und wenn es gelingen sollte, steht die Organisierung von Kingfisher, IndiGo, SpiceJet und anderen noch aus. Für Indien ist schon die Vision revolutionär. Branchengewerkschaften sind hier die Ausnahme. Die Regel ist eine zersplitterte Szene mit vielen tausend Gewerkschaften, meist auf betrieblicher Ebene. A. Pirsch-Meinecke