NORBERT WARGA ist ver.dis Datenschutz-beauftragter

ver.di PUBLIK | Elena, der "Elektronische Einkommensnachweis", der ab 2012 für eine schnellere Bearbeitung von Sozialleistungen dienen soll, ist in Verruf geraten. Unternehmen sollen nun auch Angaben über Fehlzeiten, Fehlverhalten, Abmahnungen und Kündigungsgründe ihrer Beschäftigten übermitteln. Sind solche Angaben von irgendeiner Relevanz?

NORBERT WARGA | Die von den Arbeitgebern abgefragten Daten wurden bisher bei einer Leistungsbeantragung von den Arbeitnehmern und ihren Angehörigen als Arbeitgeberbescheinigungen verlangt. Damit war der über deren gesellschaftlichen Lage und Aktivitäten informiert. Das ist nun nicht mehr so. Jetzt erhebt der Staat Daten, die er vorher nicht hatte, aber die nach dem derzeitigen Stand auch nur in tatsächlichen Bedarfsfällen mit der Einwilligung der Bürger abgerufen werden können. Hier bestehen Bedenken wegen des gewaltigen Datenvorrats und des mangelnden Vertrauens bezüglich eines Missbrauchs.

ver.di PUBLIK | Vor allem die Auskunft über Streikbeteiligungen von Beschäftigten kritisiert ver.di massiv. Was hat das Sammeln derartiger Daten eigentlich für Folgen für die Arbeitnehmer?

WARGA | Eine Fehlzeitenerfassung wird von den Arbeitgebern für die Berechnung der planbaren Jahresarbeitsminuten der einzelnen Beschäftigten erfasst. Zu der strittigen Streikerfassung ist festzustellen, dass diese einen Rückschluss auf eine gewerkschaftliche Zugehörigkeit zulässt. Das ist aber ein besonders schützenswerter Fakt, dessen Verarbeitung nach der europäischen Richtlinie 95/46/EG eigentlich untersagt ist. Die Beurteilung eines Arbeitskampfes von einem Arbeitgeber abzufordern, ist sachfremd und verliert das Interesse aus den Augen. Hier ist eine Korrektur des Paragraphen 192 im Sozialgesetzbuch V geboten. Ebenso sind die Datenfelder bezüglich der Abmahnung zu löschen. Dabei geht der Informationsgehalt über den arbeitsrechtlichen Zweck der Abmahnung deutlich und unzulässig hinaus.

ver.di PUBLIK | Angeblich ist die mehr als 40 Seiten lange Liste, nach der die Unternehmen ihre Angaben pro Beschäftigtem machen sollen, aber seit September bereits beschlossen. Lässt sich da nichts mehr ändern?

WARGA | Die Mitteilung über sonstige Fehlzeiten als Nichtarbeitszeiten neben den sozialrechtlich bestimmten Zeiten muss ausreichend sein. Vor allem müssen deshalb die verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechte stärker beachtet werden. Wenn der Staat derart differenzierte Angaben zusammenfassen will, dann darf er nicht den Arbeitgeber, und sei er Betreiber einer Eisdiele, verfassungs- und arbeitsrechtliche Bewertungen seiner Beschäftigten vornehmen lassen. Darauf werden wir hinarbeiten.

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