Wie jemand "Herrn Westerwelle die Füße küssen" wollte

Neulich klingelt im ver.di-Bezirksbüro mein Telefon: Eine Dame regt sich fürchterlich auf. Warum wir als Gewerkschaft denn gegen den FDP-Vorschlag seien, die Rente mit 60 einzuführen? Sie würde Herrn Westerwelle gerne die Füße küssen, wenn der Vorschlag durchginge. Da habe ich dann doch mal gefragt: Warum denn Herr Westerwelle so nett sei? Warum er die schwer schuftende Bevölkerung, die Dank seiner Partei von nicht sittenwidrigen Löhnen zu 3,50 Euro die Stunde (brutto!) lebt, denn früher in Rente gehen lassen wolle?

Früher in Rente wäre ja o.k. Aber früher in Rente mit 25,2 Prozent weniger und einem Nebenjob? Das ist doch der FDP-Gedanke ... Alle, die länger als 65 arbeiten, bekämen dann netterweise prozentual mehr Rente. Das wär's dann wohl mit der "Ich gehe in Rente, wenn ich mag"-Philosophie, zumindest für Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen. Auch die Grenzen für Zusatzverdienste sollen fallen. So schleift man nur weiter die sozialversicherungspflichtigen Jobs. Auch wichtig zu wissen, dass die FDP hier nichts verschenken will. Nein, die Rente vom Staat soll weniger werden, dafür soll der Arbeitnehmer privat vorsorgen. Und noch mal die Frage: Von 3,50 Euro brutto?

Nicht immer klappt es: Ich konnte die Anruferin trotz dieser Argumente nicht überzeugen, dass die FDP es nicht gut mit ihr meint. Und ver.di-Mitglied wollte sie auch nicht werden. Sie beharrte weiter darauf, "Herrn Westerwelle die Füße küssen" zu wollen. Tja, da kann man dann nur hoffen, er hat keine Schweißfüße.

Tina Scholze