ASTRID WESTHOFF, stellvertretende ver.di Landesleiterin Berlin-Brandenburg

ver.di PUBLIK | In der Befragung zum Verhandlungsergebnis zwischen ver.di, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gewerkschaft der Polizei und der IG BAU einerseits und dem Berliner Senat andererseits haben knapp 60 Prozent der befragten ver.di-Mitglieder zugestimmt. Ein guter Ausgang?

ASTRID WESTHOFF | Ja, ich freue mich, dass eine klare Mehrheit dafür ist. Aber die anderen 40 Prozent der Befragten haben auch gute Argumente. Gemeinsam sollten wir jetzt weiterarbeiten. Jede Tarifrunde ist schließlich nur ein Zwischenschritt.

ver.di PUBLIK | Was wurde erreicht?

WESTHOFF | Der Abschluss sorgt dafür, dass in Berlin ab 1. April 2010 endlich der Flächentarifvertrag wieder gelten wird. 2003 war der Senat aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten, seitdem hatten wir im Prinzip nur einen Haustarifvertrag, in dem Arbeitszeit und Einkommen abgesenkt waren. Jetzt haben wir einen Stufenplan, der das Ende der Tarifflucht bedeutet: Im Moment liegen die Einkommen im öffentlichen Dienst in Berlin sechs Prozent unter dem Schnitt der anderen Bundesländer. Diese Schere wird sich schrittweise schließen, 2011 halbiert sich die Lücke; die Einkommen steigen um drei Prozent. Spätestens 2017 schnappt die Schere dann endgültig zu.

Und im Jahr 22 nach dem Mauerfall - ab 1. August 2011 - ist endlich Schluss mit der Benachteiligung der Beschäftigten im Osten der Stadt, was Arbeitszeit, Kündigungsschutz, Bezahlung und Weihnachtsgeld betrifft.

ver.di PUBLIK | Ein wichtiger Punkt war die Übernahme der Auszubildenden. Wie steht es damit?

WESTHOFF | Sie haben eine intensive Lobbyarbeit betrieben, deshalb haben wir vom Senat bei den Verhandlungen die Zusage bekommen, dass 2010 und 2011 insgesamt 600 junge Leute nach der Ausbildung noch ein Jahr lang weiter beschäftigt werden. Das ist ein Anfang, aber die Situation der Azubis ist mit einer Zusage für die zwei Jahre natürlich nicht abgehakt. Berlin hat bisher nur sage und schreibe 40 Azubis im Jahr übernommen - bei 100000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das ist unglaublich, wenn man dies zum Beispiel mit Potsdam vergleicht, einer Landeshauptstadt mit nur knapp 2000 Beschäftigten. Dort wurden im vorigen Jahr 24 Azubis übernommen.

ver.di PUBLIK | Womit bist du noch unzufrieden?

WESTHOFF | Der Prozess der Angleichung Berlins an die anderen Bundesländer dauert viel länger, als wir wollten. Wir hatten uns vier bis fünf Jahre erhofft. Das ist das eine. Zum anderen wollten wir durchsetzen, dass auch für die Berliner Erzieherinnen und Erzieher künftig nicht mehr Ländertarifrecht, sondern kommunales Tarifrecht gilt, wie zum Beispiel in Brandenburg. Das hätte für manche mehr Geld bedeutet und ihnen den Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz gebracht. In der letzten Verhandlungsnacht hat der Senat dann aber erklärt, das nicht zu akzeptieren, es sei zu teuer. Die Beschäftigten sind mit gutem Grund enttäuscht, und auch ich bin nicht zufrieden damit.

ver.di PUBLIK | Wie geht es jetzt weiter?

WESTHOFF | Für eine bundesweite Gleichbehandlung der Erzieher/innen werden wir weiter streiten. Das jetzt in Berlin Erreichte kann für sie nicht der Endpunkt sein, gerade hier nicht, wo die Anforderungen an diese Berufsgruppe höher sind als an anderen Orten. Wer qualifiziertes Personal gewinnen und halten will, muss etwas dafür tun. Sonst kriegt die Stadt ein Problem. Dringend nötig ist auch, dass der Senat den Abschluss auf die Beamtinnen und Beamten überträgt .

Interview: Claudia von Zglinicki http://tarif-bb.verdi.de

"Berlin hat bisher nur sage und schreibe 40 Azubis im Jahr übernommen - bei 100 000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst"