Den Schwelbrand löschen

Und jetzt: Action! Foto aus dem ver.di-Fotowettbewerb 2009

VON Susanne Kailitz

"Bei einem Feuerwehreinsatz müssen Sie Vertrauen haben - zu dem Kollegen neben Ihnen genauso wie zu Ihrer Leitstelle." Wolfgang Weise, ehrenamtlicher Vorsitzender der ver.di-Bundesfachgruppe Feuerwehr, kennt sich damit aus. Seit 27 Jahren ist er Feuerwehrmann, fuhr lange Zeit selbst Einsätze und arbeitet jetzt überwiegend in der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Gera. Dort laufen die Notrufe der Nummer 112 aus dem gesamten Gebiet Ostthüringen ein. Weise und seine Kollegen müssen blitzschnell entscheiden, wem wie geholfen werden soll; eine Aufgabe, für die sie sich durch Ausbildung und jahrelange Erfahrung qualifiziert haben. Auf ihren Job sind sie stolz - und auch darauf, dass nach Umfragen mehr als 90 Prozent der Deutschen Vertrauen in ihre Feuerwehr haben.

Jetzt allerdings macht Weise sich Sorgen, dass sich das ändern könnte. Grund dafür ist die Tendenz in vielen Bundesländern, polizeiliche Aufgaben mit denen der Feuerwehr zu vermischen. Diese "Verpolizeilichung" ist am weitesten in Niedersachen vorangeschritten, wo die kommunale Feuerwehr seit dem 1. Januar 2005 nach Abschluss einer Verwaltungsreform unter die Aufsicht der staatlichen Polizeibehörden gestellt wurde.

Mehr als Türen öffnen

Doch der Trend ist auch in anderen Bundesländern zu beobachten, die Zahl der Amtshilfeersuchen der Polizei an Feuerwehren und Rettungsdienste nimmt zu. Da geht es um das Öffnen von Türen, die Bereitstellung von technischem Gerät oder den Einsatz von Personal. Das aber ist schon rechtlich problematisch: Das Grundgesetz verankert im Sinne der Gewaltenteilung das staatliche Strukturprinzip der kommunalen Selbstverwaltung. Sie soll vor dem Zugriff staatlicher Sonderbehörden - wie der Polizei - geschützt werden.

Dass die kommunalen Feuerwehren in Niedersachsen der Aufsicht der Polizeidirektionen unterstellt wurden, ist nach Ansicht von Ursus Fuhrmann, Jurist und ehemals Abteilungsleiter beim Deutschen Städtetag, ein Verstoß gegen geltendes Recht. Zu diesem Schluss kommt er in seinem im Auftrag von verdi erstellten Gutachten. Fuhrmann fordert auch, dass Amtshilfeersuchen der Polizei an die Feuerwehr strengen Regeln unterliegen und nicht, wie bisher oft, auf Arbeitsebene geregelt werden.

Dabei kam es in der Vergangenheit schon zu problematischen Situationen in der Praxis: So rief die Polizei in Heilbronn Einsatzkräfte der Feuerwehr zu einer Türöffnung - ohne den Feuerwehrleuten zu sagen, dass in der Wohnung gewaltbereite Kriminelle waren. Das ist nach Ansicht von Fuhrmann "absolut nicht zulässig". Auch Feuerwehrmann Weise ist darüber empört: "Die Polizeibeamten haben Schusswesten getragen, die Feuerwehrleute nicht. Die wussten überhaupt nicht, welches Risiko sie da- bei eingegangen sind."

In einem anderen Fall wurden Einsatzkräfte der Feuerwehr in Böblingen von der Polizei aufgefordert, einen amokfahrenden Lkw von der Straße zu drängen - mit großem Risiko für die Feuerwehrmänner, denen erst im Nachhinein klar wurde, in welche Gefahr sie sich damit gebracht hatten.

Wer sagt, wo's lang geht?

"Aber man kann während eines Einsatzes nicht diskutieren", weiß Wolfgang Weise aus eigener Erfahrung. "Da muss man einfach darauf vertrauen, dass die Einsatzleitung das Richtige tut." Dazu komme, so der verdi-Bundesfachgruppenleiter Wolfgang Thurner, "die Neigung einiger Polizeiführer, gerade den Kollegen von den Freiwilligen Feuerwehren zu sagen, wo es lang geht. Die sind dann oft verunsichert und lassen sich eher das Heft aus der Hand nehmen, als lange zu diskutieren." Und das kann gravierende Folgen haben, sagt Ursus Fuhrmann: "Wenn Feuerwehrleute bei so einer Aktion verletzt werden, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie ihre Versorgungsansprüche verlieren, weil sie Polizeiaufgaben erledigt haben. Gerade bei freiwilligen Feuerwehrleuten schaut die Feuerwehr-Unfallkasse genau auf die Art des Einsatzes."

Dazu kommt das gänzlich unterschiedliche Selbstverständnis auf beiden Seiten: Während Polizei und Ordnungsbehörden als Strafverfolgungsbehörden Verbrechen aufklären und bekämpfen sollen, ist es der Job der Feuerwehren, Menschen in Notsituationen zu retten und zu schützen. Die rund 1,3 Millionen Angehörigen der Feuerwehr in Deutschland sehen sich ganz bewusst nicht als Teil der Exekutive, die das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen hat - immerhin sind mehr als 1,2 Millionen Freiwillige, deren Motivation bürgerschaftliches Engagement ist.

Die Feuerwehren helfen

Hans-Joachim Rauch, Vorsitzender der ver.di-Fachgruppe Feuerwehr in Niedersachsen, sagt: "Wenn ich mir vorstelle, dass Feuerwehrkollegen bei Einsätzen wie am 1. Mai in Hamburg oder Berlin als Polizisten wahrgenommen werden, wird mir angst und bange. Bislang hatten wir Feuerwehrleute einen besonderen Status und wurden nicht angegriffen, weil wir ja nur zum Helfen da waren. Mit der zunehmenden Vermischung der Aufgaben wird sich das vermutlich ändern. Das ist besorgniserregend."

Geht es nach dem Willen der Länder, sollen die beiden ungleichen Partner künftig verstärkt in so genannten kooperativen Leitstellen zusammenarbeiten und sich dort Technik und bauliche Anlagen teilen - das spare Kosten. Für Wolfgang Weise eine schwierige Konstellation: "Mal davon abgesehen, dass die Art der Dokumentation bei Rettungsdienst und Polizei unterschiedlich ist - bei den Einsatzleitstellen werden doch ganz verschiedene Dinge abgefragt. Als Mitarbeiter an der 112 muss man eine Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert haben, um entscheiden zu können, ob es ausreicht, wenn ein Krankentransport geschickt wird, oder ob ein Notarzt angefordert werden muss. Ich wüsste dagegen nicht, was zu tun wäre, wenn mir ein Verbrechen gemeldet würde." Die "bunten Leitstellen" hält Weise für absolut nicht praktikabel. "Wie sollen wir vom Rettungsdienst denn sichern, dass die medizinischen Daten unserer Patienten geheim bleiben, wenn wir mit Polizeibeamten im gleichen Raum arbeiten?" Weise betont, dass es ihm nicht darum geht, Unfrieden zwischen Polizei und Feuerwehr zu stiften. "In der täglichen Routine klappt das hervorragend." Gerade bei Unfällen arbeite man Hand in Hand: "Da ist dann klar die Polizei für die Absperrungen zuständig und wir für die Hilfeleistungen an eingeklemmten oder verletzten Personen."

Den Anfängen wehren

Auch Ursus Fuhrmann betont, er wolle die Polizei keineswegs herabsetzen. "Aber wir haben in der DDR gesehen, dass omnipotente Aufsichtsbehörden die Berufsfeuerwehren damals komplett verstaatlicht haben - das ging so weit, dass Feuerwehrleute beim Bau der Mauer eingesetzt werden konnten. Wir wollen mit dem Gutachten den Anfängen wehren; eine Dezentralisierung der öffentlichen Gewalt ist die beste demokratische Kontrolle". Gemeinsam mit ver.di hofft Fuhrmann nun darauf, eine klagewillige Gemeinde in Niedersachsen zu finden, um die "Verpolizeilichung" der Feuerwehr auf rechtlichem Weg stoppen zu können.

Gewerkschafter Thurner hofft, bereits über Pressearbeit und Öffentlichkeit etwas erreichen zu können: "Oft sind den Beteiligten die rechtlichen Grundlagen gar nicht klar, aus denen sich die getrennten Aufgaben von Polizei und Feuerwehr herleiten." Er kritisiert, dass gerade dann, wenn die Amtshilfeersuchen der Polizei zu problematischen Ergebnissen führten, Vorfälle unter den Tisch gekehrt würden. Das hat auch Wolfgang Weise schon beobachtet: So habe die Polizei beim Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahr 2002 Feuerwehrfahrzeuge mit Drehleitern angefordert. "Was damit geschehen ist, wissen wir bis heute nicht - es gibt dazu keine Dokumentation." Doch Zusammenarbeit unter Partnern funktioniere nun mal nur, wenn Vertrauen da sei. www.feuerwehr.verdi.de

Wer klagt jetzt?

Der Jurist Ursus Fuhrmann und ver.di hoffen, dass möglichst bald eine Gemeinde in Niedersachsen bereit ist zu klagen: gegen die in diesem Bundesland am weitesten fortgeschrittene "Verpolizeilichung" der Feuerwehr - die Unterstellung der Feuerwehr unter die Aufsicht der Polizei.

Da die Frist für eine kommunale Verfassungsbeschwerde abgelaufen ist, ist nur noch eine Anfechtungsklage möglich. Die, erklärt Fuhrmann, würde dann von einem Verwaltungsgericht im Rahmen einer Normenkontrolle an den Verwaltungsgerichtshof übergeben werden, der dann ein Grundsatzurteil formuliert. Und das werde im Sinne der Kollegen und der Gewerkschaft fallen.