Ausgabe 10/2010
Sanieren und nicht privatisieren
Es ist ein Kreuz mit dem Uniklinikum. Demonstration in Lübeck gegen den geplanten Verkauf
Von Michaela Ludwig
Im April versetzte eine Meldung aus der Kieler Haushaltsstrukturkommission die Belegschaft des Uniklinikums Schleswig-Holstein (UK-SH) in Angst und Schrecken. Um Haushaltslöcher zu stopfen, plane die schwarz-gelbe Landesregierung die Privatisierung des letzten Krankenhauses mit Maximalversorgung im nördlichsten Bundesland, dem mit etwa 11000 Beschäftigten größten Arbeitgeber dort.
Keine Frage: Das Klinikum ist sanierungsbedürftig, die Instandsetzung maroder Gebäude und Neubauten ist für einen wirtschaftlichen Betrieb unabdingbar. Mit dem Verkauf an einen privaten Konzern will die Landesregierung bis 2020 die geschätzten Sanierungskosten von rund 800 Millionen Euro sparen. Nach ersten Meldungen sollte der Verkauf bis 2015 über die Bühne gehen. Die Konzerne Helios und Rhön haben nach Presseberichten Interesse bekundet.
Größtes Hindernis für einen Verkauf ist jedoch eine Zusage, die die Landesregierung selbst gegeben hat: Der Tarifvertrag mit ver.di aus dem Frühjahr 2008 schließt einen Verkauf, aber auch eine politische Entscheidung zur Privatisierung bis März 2015 aus. Denn bereits 2008 wollte der damalige CDU-Wirtschaftsminister das Klinikum privatisieren. Wochenlange Streiks der Beschäftigten waren die Folge. Weil sich auch der damalige Koalitionspartner SPD dagegen aussprach, konnte nur eine Teilprivatisierung des Service- und IT-Bereichs durchgesetzt werden.
Auf die Straße
Nun tragen die Klinikbeschäftigten in Kiel und Lübeck erneut ihren Ärger auf die Straße. Zur zweiten Demonstration im Juni versammelten sich 14 000 Schleswig-Holsteiner/innen. Im August bekräftigte ver.di-Verhandlungsführer Steffen Kühhirt in einem Gespräch mit Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU): "Der Tarifvertrag wird nicht geöffnet." Wie viele Beschäftigte sieht auch er einen Verkauf als Tarifbruch. "Dagegen würden wir juristisch und politisch vorgehen", kündigt er an, "und auch die geleisteten Sanierungsbeiträge zurückfordern".
Seit 2005 haben die Beschäftigten auf 100 Millionen Euro in Form von Jahressonderzahlungen und vermögenswirksamen Leistungen verzichtet und länger gearbeitet. "Wir müssen mit weniger Kollegen immer größere Bereiche betreuen. Dazu kommen neue Vorschriften, die zu höherem Arbeitsaufwand führen. Und das alles ohne Personalaufstockung", sagt Sigfried Reddig, Mitarbeiter der Technik in Kiel.
Womöglich gibt die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, in der die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regierung festgestellt wurde, den Privatisierungsgegnern Rückenwind. "Eine Landesregierung, deren Mandat nicht von der Verfassung gedeckt ist, sollte es tunlichst vermeiden, einen rechtskräftigen Tarifvertrag zu brechen", sagt Steffen Kühhirt.
Plan B
Die Kieler Vertrauensleutesprecherin Sabine Krohn glaubt jedoch nicht daran, dass ein Verkauf noch abgebogen werden kann. "Wir bereiten uns auf Plan B vor, sprechen über den Sozialplan, wenn es zum Verkauf kommt." Sie bedauert, dass viele Beschäftigte den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben. Den Herbst wollen Vertrauensleute und Gewerkschaft nutzen, um die Mitarbeiter/innen, aber auch die Bevölkerung über die Folgen der Privatisierung von Unikliniken für Personal und Patient/innen zu informieren.
Auch die Klinikleitung lehnt nach Presseberichten die Privatisierungspläne ab. Stattdessen schlägt sie in einem Alternativkonzept eine privat-öffentliche Partnerschaft (PPP) vor. Demnach würde die Beteiligung privater Firmen zugelassen werden. Mit Hilfe des privaten Kapitals solle dann die Infrastruktur verbessert werden. Im Gegenzug wären die Renditeerwartungen der Geldgeber zu bedienen. Eva Schleifenbaum, Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Kiel-Plön, winkt ab. "Wir kennen das Modell für Altenheime. Was als Mieten an private Unternehmen abfließt, muss doch auch erst erwirtschaftet werden."
Angesichts des Widerstands äußert sich die Landesregierung nun vorsichtiger. "Wir gehen in den nächsten Wochen, nachdem das Kabinett einen entsprechenden Auftrag an das Wirtschaftsministerium erteilt hat, in ein Markt-Erkundungsverfahren, das neben einer Privatisierung auch die Chancen eines vom Klinikvorstand vorgeschlagenen PPP-Modells ausleuchtet", bestätigt eine Pressesprecherin des Wirtschaftsministeriums.
Eine Entscheidung erwartet Steffen Kühhirt nicht vor Jahresende - vor den nächsten Tarifverhandlungen. "Kommt es tatsächlich zur Privatisierung, bereiten wir uns auf einen harten Konflikt vor", verspricht der ver.di-Verhandlungsführer.