Das Haus wirkt reich und prächtig

Von Peter Steiniger

Und schon folgt der nächste Streich: Die Geschäftsführung der Kieler Nachrichten (KN), der einzigen Tageszeitung aus der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins, informierte im Juli ihre Belegschaft über weitere Entlassungspläne. Betroffen von der Umstrukturierung sind 57 der knapp 400 Beschäftigten. Etliche gehören dem Verlag schon seit vielen Jahren an. Ein Abschied für immer droht den Mitarbeiter/innen in der telefonischen Kundenbetreuung im Anzeigen- und Vertriebsbereich sowie bei der Satzherstellung. Auch den Pförtnern soll die Tür gewiesen werden.

Zum 30. Juni hatten sich die Kieler Nachrichten schon aller 389 Leiharbeiter der Tabel-Gruppe in der ausgegliederten Weiterverarbeitung ihres Druckzentrums Moorsee entledigt, inklusive des mit Unterstützung von ver.di im Februar 2010 erstmals gewählten Betriebsrats. Das Geschäftsmodell der Zeitarbeitsfirma aus dem niedersächsischen Laatzen setzt auf Niedriglöhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Willkür. Mit öffentlichen Protestaktionen setzten sich die Produktionshelfer gegen die Massenentlassung zur Wehr - von den großen Medien weitgehend ignoriert. Nur eine Handvoll ehemaliger Tabel-Beschäftigter kam bei den drei neu unter Vertrag genommenen Leiharbeitsfirmen wieder unter. "Die Zersplitterung der betrieblichen Struktur hat System", meint Thomas Schumacher, der bereits seit 20 Jahren bei den Kieler Nachrichten in der Expedition tätig ist.

Notfalls auch Arbeitskampf

ver.di Nord will die Stilllegung von Verlagsabteilungen und die Vergabe von Arbeiten an Fremdfirmen nicht widerstandslos hinnehmen. "Wenn sie auf Entlassungen bestehen, ist notfalls auch ein Arbeitskampf nicht auszuschließen", sagt Fachbereichsleiter Martin Dieckmann. Ein Outsourcing an nicht tarifgebundene Unternehmen ginge außerdem zu Lasten der Produktionssicherheit. Mit der Geschäftsführung - neben Alt-Verleger Christian Heinrich ist seit dem 1. Juli auch Chefredakteur Jürgen Heinemann an die Unternehmensspitze gerückt - wird intensiv verhandelt. In erster Linie sollen betriebsbedingte Kündigungen abgewendet und alternative Lösungen für Veränderungen im Betrieb gefunden werden. Sollten die Gespräche scheitern, kommt die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag auf den Tisch. Darin ginge es vor allem um akzeptable Abfindungsregelungen und andere Hilfen beim Ausscheiden aus der Firma. In diesem Rahmen wäre ver.di zudem streikfähig. Rund 130 Mitglieder hat die Gewerkschaft in dem Kieler Verlagshaus, mit steigender Tendenz. Und am Horizont zeichnen sich schon die Lohntarifauseinandersetzungen 2011 ab. Eine kämpferisch gestimmte KN-Belegschaft könnte da durchaus ein Wörtchen mitreden.

Strich durch die Rechnung

Im Februar 2009 trennte sich der Axel-Springer-Verlag von seinem 24,5-Prozent-Anteil an den Kieler Nachrichten. Seitdem streicht hier die Mediengruppe Madsack mit dem Rotstift. Zentralisierung heißt die Formel beim größten Medienunternehmen Niedersachsens, das über die Medienholding DDVG mit der SPD verbunden ist. Wie andere Zeitungsverlage mussten auch die Kieler Nachrichten in den letzten Jahren Verluste im überregionalen Anzeigengeschäft hinnehmen. Einbußen, die sich auf den Profit auswirken. Auch die Papierpreise steigen weiter. Damit die roten Zahlen wieder so schwarz werden wie vor der Krise, sollen jetzt die Arbeitskosten gedrückt werden. Doch Anfang 2010 zeigte der Streik bei der Ostsee-Zeitung (OZ), wie ein Strich durch Madsacks Rechnung aussehen kann. Keine Ausgliederung oder Verlagerung von Arbeitsplätzen und die Verhinderung von Tarifflucht und Entlassungen bei der OZ waren Ergebnis der Auseinandersetzungen um einen Sozialtarif. Die Arbeitszeit wurde abgesenkt, dafür die Beschäftigung gesichert.