Transparentere Leistungen für Kinder wird es zum 1. Januar wohl noch nicht geben – obwohl das Bundesverfassungsgericht das verlangt hat

Eishockey à la von der Leyen: Möglichst umsonst und draußen

Von Annette Jensen

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung eine klare Frist gesetzt: Ab dem 1. Januar sollen Hartz- IV-Sätze gezahlt werden, die nachvollziehbar berechnet sind. Vor allem die alte Regelung für Kinder hatten die Richter kritisiert. Deren Sätze wurden pauschal von denen der Erwachsenen abgeleitet, Ausgaben für ihren besonderen Bildungsbedarf waren darin zum Beispiel nicht enthalten. Sozial- und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will dafür kein zusätzliches Geld überweisen, sondern den Kindern Zugang zu Sportvereinen und Musikschulen über Sachmittel ermöglichen. Zehn Euro im Monat werden dafür zur Verfügung stehen - ein Betrag, der kaum reichen dürfte. "Wir setzen hier auch auf günstige Angebote durch zivilgesellschaftliches Engagement", räumt eine Ministeriumssprecherin ein.

Wer Nachhilfe benötigt, soll die über seine Schule vermittelt bekommen. Außerdem gibt es 30 Euro Zuschuss für Ausflüge. Als neu verkauft die Ministerin darüber hinaus das von der Großen Koalition eingeführte Schulbasispaket, das den Kauf von Taschenrechnern und Schulranzen ermöglichen soll.

Finanziert werden soll jetzt außerdem die Teilnahme am Mittagessen, wenn ein Kind eine Kita oder Schule besucht und es dort etwas zu essen gibt. "Für 80 Prozent der Unter-Dreijährigen existieren aber gar keine Krippenplätze", kritisiert Matthias Anbuhl, der beim DGB für Bildungsfragen zuständig ist. Zudem haben in einer ganzen Reihe von Bundesländern auch ältere Hartz- IV-Kinder nur selten Zugang zu Ganztagskindergärten, weil dort bevorzugt arbeitende Eltern mit Plätzen versorgt werden.

Zuständigkeit noch unklar

Insgesamt sollen etwa 2,3 Millionen Kinder ein Bildungspäckchen aus dem Hause von der Leyen erhalten. Neben den Kindern von Hartz-IV-Bezieher/innen sind das auch 300000 Mädchen und Jungen, die aufgrund eines geringen Einkommens ihrer Eltern einen Kinderzuschlag bekommen. Im nächsten Jahr sind 700 Millionen Euro für die neuen Leistungen im Bundeshaushalt eingeplant; die Verwaltung soll weitere 135 Millionen Euro kosten. Zuständig für die Abwicklung werden entweder die Jobcenter, oder wo sie es wollen, die Kommunen sein. "Bisher ist das Interesse der Kommunen allerdings noch sehr verhalten", berichtet Anja Huth von der Bundesagentur für Arbeit.

Das kann nicht verwundern, denn vieles ist noch unklar. Erst am 17. Dezember soll der Bundesrat über das Gesetz abstimmen; die SPD hat angekündigt, in einem Vermittlungsausschuss Verbesserungen durchsetzen zu wollen. Somit ist unwahrscheinlich, dass die Regelungen tatsächlich zum 1. Januar umgesetzt werden können. Vieles spricht dafür, dass im Frühjahr ein rückwirkendes Gesetz verabschiedet wird. Was dann passiert, weiß niemand. Schließlich macht es keinen Sinn, dass die Kinder später ein paar Monate lang zwei Mittagessen am Tag oder doppelt so viele Sportstunden bekommen. Andererseits ist es aufgrund des Karlsruher Richterspruchs ausgeschlossen, das Gesetz ein paar Monate nach hinten zu verschieben.

Die Vorbereitungen laufen gegenwärtig auf Hochtouren, meldet die Bundesagentur für Arbeit. Die Jobcenter sind aufgefordert, mit jeder Schule, Musikschule, Kita und jedem der bundesweit über 90000 Sportvereine einen Vertrag abzuschließen. Nur bei diesen Institutionen können Gutscheine eingelöst werden. "Wir müssen ja rechtsradikale oder andere kindgefährdende Organisationen ausschließen", erklärt Huth. Diese aufwendige Arbeit haben die Jobcenter zusätzlich zu ihrem Alltagsgeschäft zu bewältigen; wann die dafür versprochenen 1300 neuen Kolleg/innen kommen, ist unklar.

Eltern müssen Antrag stellen

Einmal mehr hängt es dann an den Eltern, ob die Kinder in den Genuss der Bildungsleistungen kommen. Sie müssen beim Jobcenter einen Antrag stellen und erhalten einen Gutschein für ihren Sprössling. Den können sie vor Ort einlösen. Manche Kritiker fürchten, dass die Bürokratie viele Väter und Mütter abschrecken oder überfordern könnte.

Die von Ursula von der Leyen zunächst angekündigte Chipcard für jedes Kind wird es frühestens im Sommer geben, wahrscheinlich deutlich später. Die Idee dabei: Außenstehende können nicht erkennen, ob das auf der Karte gespeicherte Guthaben von den Eltern oder vom Jobcenter eingezahlt wurde. Doch das bleibt erst einmal Zukunftsmusik.