Ausgabe 04/2011
Unter 30 Euro geht es nicht
UTE KITTEL ist bei ver.di zuständig für die Fachgruppe Touristik, Freizeit und Wohlbefinden
ver.di PUBLIK | Stundenlöhne von 1,50 Euro, Schwarzarbeit, Salons, die ohne Meisterbrief betrieben werden, und gerade wurde die Friseurkette Klier wegen Sozialbetrugs verurteilt - ums Friseurhandwerk scheint es schlecht bestellt zu sein.
UTE KITTEL | Es ist nicht so, dass das Friseurhandwerk komplett daniederliegt, aber es gibt schwarze Schafe. Da es zu wenige Kontrollen gibt und auch keinen flächendeckenden Mindestlohn, ist solchen Zuständen Tür und Tor geöffnet.
ver.di PUBLIK | Vor allem Billigketten wie Cut & Go treiben nicht nur die Preise, sondern dadurch auch die Löhne nach unten. Braucht es einen gesetzlichen Mindestlohn?
KITTEL | In jedem Fall, weil wir dann eine flächendeckende Lohn- Untergrenze hätten und sich eine solche Preispolitik nicht mehr rechnen würde. Es sind hier aber nicht nur die Friseurbetriebe gefragt. Auch die Kunden/innen sind in der Verantwortung. So lange sie sich für zehn Euro die Haare schneiden lassen und dabei glauben, dass geregelte Bedingungen herrschen, tolerieren sie letztlich diese entwürdigenden Bedingungen. Auch die Idee, sich "privat" die Haare schneiden zu lassen, damit die Friseurin "wenigstens was nebenher verdient", ist zu kritisieren. Dadurch wird ein Schwarzmarkt gefördert, der jährlich rund zwei Milliarden Euro Umsatz an den Sozialkassen vorbei macht.
ver.di PUBLIK | Wie viel müsste ich für einen Haarschnitt mit Waschen und Fönen bezahlen, damit der Friseur anständige Löhne zahlen kann?
KITTEL | Unter 30 Euro kann es meines Erachtens nicht gehen, vor allem nicht, wenn man ausgebildete Kräfte einstellt, sich an alle Vorschriften und Handwerksbedingungen hält und Tarifgehälter bezahlen muss. In den größten Bundesländern Bayern, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen gibt es keine Einstiegsgehälter unter 7,51 Euro.
ver.di PUBLIK | Was tut ver.di über das Tarifgeschäft hinaus?
KITTEL | Wir sind Partner in einem europäischen sozialen sektoralen Dialog. Zielsetzung ist es, gemeinsam mit den Arbeitgebern europaweite Mindeststandards für das Friseurhandwerk zu vereinbaren. Bei unseren europäischen Nachbarn haben die Friseure oft eine bessere Lobby. Und wir sind mit dem deutschen Zentralverband und in den Regionen mit den Landesinnungen regelmäßig im Gespräch. Aber vor allem müssen wir Aufklärung betreiben. Das Kernthema wird sein, den Verbraucher zu sensibilisieren. Die Geiz-ist-geil-Mentalität hat sich in allen Dienstleistungsbranchen durchgesetzt, wenige sind bereit für eine qualifizierte Dienstleistung auch gerecht zu bezahlen. Und wir sprechen hier von einem Handwerk. Kaum jemand stellt in Frage, wenn er sein Auto für zwei Stunden in die Werkstatt gebracht hat, dafür 180 Euro bezahlen zu müssen - ohne Material. Aber für die gleiche Zeit beim Friseur, wollen die Kunden nicht mehr als 18 Euro zahlen. Hier stimmt das Verhältnis nicht.