HEIKE LANGENBERG ist Redakteurin der ver.di PUBLIK

Der 1. Mai ist in diesem Jahr nicht nur der Tag der Arbeit. Am 1. Mai tritt auch die sogenannte volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft. Dann können Arbeitskräfte aus acht osteuropäischen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Deutschland war eines der EU-Länder, die in den Beitrittsverhandlungen für sich auf dieser verlängerten Frist bestanden hatten.

Groß ist die Sorge, dass jetzt Scharen von legalen Einwanderern einheimische Arbeitskräfte verdrängen könnten, Menschen, die bereit sind, für noch niedrigere Löhne zu arbeiten. Eine aktuelle Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt, dass sich 73 Prozent der befragten Arbeitnehmer/innen hierzulande vor dieser Öffnung fürchten. Knapp 43 Prozent gehen davon aus, dass auch qualifizierte Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Wer sagt, er wisse jetzt schon, was nach dem 1. Mai passiert, liest Kaffeesatz. Doch ob viele kommen oder wenige, eins ist klar: Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial zu gestalten. Zeit genug hätte sie gehabt, aber am Willen hat es gefehlt. Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn lehnt sie weiter ab, stattdessen beschäftigt sie sich mit halbherzigen Lösungen wie der Aufnahme ausgewählter Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Ein Blick in andere europäische Länder zeigt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn ein Mittel ist, weiteren Druck auf das Lohnniveau zu verhindern.

Wichtig wäre auch, dass Leiharbeitnehmer/innen genauso bezahlt werden wie die Angestellten im ausleihenden Betrieb. Doch an diesem Punkt hat die Bundesregierung ebenfalls eine Chance vertan, eine soziale Regelung zu schaffen. All das hätte dazu beitragen können, den Deutschen die Furcht vor den einreisenden Nachbarn zu nehmen. Doch wer Lohndruck und wachsende Unsicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt Tag für Tag spürt, dem ist Angst vor neuer Konkurrenz nicht zu verdenken.