WERNER RÜGEMER ist freier Journalist und Publizist

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. März die Deutsche Bank verurteilt, dem mittelständischen Unternehmer Willi Blatz 541074 Euro Schadenersatz zu zahlen. Ein womöglich folgenschweres Urteil. Aber der Reihe nach. Blatz hatte 2005 ein "strukturiertes Finanzprodukt" namens Spread Ladder Swap gekauft. Das ist eine Wette (Swap) zwischen der Bank und dem Käufer, sie wetten auf die unterschiedliche Zinsentwicklung zwischen kurz- und langlaufenden Krediten (Spread). Die Wette läuft über fünf Jahre, und jedes Jahr ändern sich die Bedingungen (Ladder). Wer bei der Zinsentwicklung falsch liegt, muss dem Geschäftspartner den entsprechenden Betrag zahlen. Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. Blatz verlor schon im zweiten Jahr mehr als eine halbe Million. Um weitere Verluste zu vermeiden, zahlte er den Betrag sofort und kaufte sich aus dem Vertrag heraus. Gleichzeitig verklagte Blatz die Bank durch alle Instanzen.

Die Deutsche Bank, so der BGH, hat "die Risikostruktur des Anlagegeschäfts bewusst zu Lasten des Anlegers gestaltet". Vor allem hatte die Bank dem Kunden etwas Wesentliches verheimlicht: Der Betrag, auf den die Wette ausgestellt wurde, war zwei Millionen Euro. Auf dem Markt aber gab die Bank den Wert nur mit 80000 Euro an. Andere Kunden der Bank, die diese Wette und weitere dieser Wetten kauften, wussten also, dass sie gar nicht zwei Millionen, sondern nur 80 000 Euro wert war. Das Urteil prangert damit auch zum ersten Mal in der obersten rechtlichen Instanz an, mit welchen perfiden Methoden die Deutsche Bank arbeitet. Sie hatte das Vertrauen ihres langjährigen "guten Kunden" kaltblütig hintergangen. Sie sieht auch nachträglich keinen Fehler ein. Im Gegenteil, laut Medienberichten warnte der Anwalt der Bank vor der Verhandlung die Richter: Wenn der BGH die Bank zu Schadenersatz verurteile, komme es zu einer "zweiten Finanzkrise"!

Mit dieser Arroganz demonstriert die Bank doch mindestens dreierlei. Erstens: Die Bank ist nicht nur gewohnt, demokratisch gewählte Regierungen mit der Drohung einer Finanzkrise zu erpressen, sondern sie droht auch der Justiz und versucht, sie zu erpressen. Zweitens besagt doch diese Drohung: Die Bank berät ihre Kunden tendenziell sowieso falsch, und wenn das alles vor Gericht gezerrt würde, dann würde der Schadenersatz so hoch, dass die Bank pleite ginge! Drittens: Die Bank ist sich keines Fehlverhaltens bewusst und macht auch in Zukunft weiter wie bisher. Danke, Herr Ackermann, für so viel Klarheit!

Nun müsste uns die Vertrauensseligkeit eines mittelständischen Unternehmers nicht unbedingt wundern oder bekümmern. Er hat aber zumindest mehr Mumm und Konsequenz gezeigt als Dutzende von deutschen Oberbürgermeistern und Stadtkämmerern. Denn spätestens da wird es auch für die Öffentlichkeit brisant: Die Deutsche Bank hat dutzenden, wenn nicht hunderten Kommunen in Deutschland ebenfalls solche Zinswetten aufgeschwatzt. "Zinsoptimierung" hatte sie den verschuldeten Städten versprochen. Und sie sind ebenfalls auf die Nase gefallen: Pforzheim zum Beispiel mit 57 Millionen, Hagen mit 50 Millionen.

Einige Städte haben die Bank ebenfalls auf Schadenersatz verklagt. Viele aber haben den Hintern immer noch nicht hochgekriegt. So weigert sich etwa die Ratsmehrheit aus CDU, SPD und FDP in Mülheim an der Ruhr, gegen die Bank gerichtlich vorzugehen. Die Schadenersatzklagen kamen überhaupt zögerlich in Gang. Die "Verantwortlichen" in den Kommunen haben sich ja als Komplizen der Bank erwiesen, als sie das Spekulationsverbot für die öffentliche Hand durchbrochen haben. Alle Klagen wurden in erster Instanz abgewiesen. Die Richter verließen sich auf das, wie die als renommiert geltende Deutsche Bank die Geschäfte darstellte. Und die Städte beauftragen bisher lieber Anwälte, die sich in Finanzfragen "gut auskennen", also eher auf der Bankenseite stehen. Das BGH-Urteil sollte ein letzter Anstoß sein, dass auch die Kommunen nun konsequent gegen die gerichtsnotorischen Falschberater vorgehen.

Übrigens stehen im norditalienischen Mailand neben der Deutschen Bank auch die US-Investmentbank J.P.Morgan, die United Bank of Switzerland (UBS) und die irische Depfa vor Gericht: 525 Kommunen und Regionalverwaltungen klagen ebenfalls wegen schweren Betrugs bei Zinswetten. Es geht also nicht um einen Einzelfall. Solche Bankgeschäfte sind für die Kunden gefährlich und zugleich volkswirtschaftlich sinnlos, ja destruktiv. Das BGH-Urteil bestätigt: Sie müssen verboten werden.

Solche Bankgeschäfte müssen verboten werden