Ausgabe 08/2011-09
Ein Tarifvertrag muss her
Die Botschaft der Pflegerinnen ist eindeutig
BERLIN | Der Streik geht weiter, das ist die Situation am Montag, dem 29. August. Das Angebot für die Beschäftigten, das der Arbeitgeber der drei Alpenland-Pflegeheime in Berlin-Marzahn am Abend zuvor vorgelegt hatte, ist so nicht annehmbar. Seit dem 18. August streiken die Beschäftigten nun schon. Es ist keine leichte Zeit für sie. Doch nach jahrelangen Bemühungen um einen Tarifvertrag, endlosen Verhandlungen und dem Abbruch der Verhandlungen durch die Geschäftsführung ist ihnen die Geduld ausgegangen. Langmütig waren sie lange genug.
Bei der Alpenland-Pflegeheime Berlin GmbH arbeiten rund 380 Menschen an mehreren Standorten der Stadt. Der große Unterschied dabei: Die Häuser im Westberliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf sind tarifgebunden - wie auch die Alpenland-Heime in Baden-Württemberg. Die in Ostberlin nicht. Praktisch heißt das, dass die Beschäftigten dort rund 300 Euro weniger verdienen, nämlich beispielsweise 1478 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche und für eine besonders qualifizierte Fachkraft in Vollzeit 1800 Euro brutto. "Und das bei schlechteren Arbeitsbedingungen", wie Christiane Grünwald betont. Sie ist Mitglied im Betriebsrat und in der Tarifkommission. "Wir wollen endlich eine Angleichung an die Einkommen unserer Kollegen, meinetwegen eine langsame, wir sind ja bescheiden."
Aber klar ist auch, sagt Christiane Grünwald, "eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nehmen wir nicht hin. Dafür stehen wir hier vor den Häusern und halten den Kopf hin. Ich hab keine Angst, vor nichts und niemandem."
Für die Altenpflegerin Manuela Pohl, die auch zum Betriebsrat gehört, wären die drohenden Teildienste am schlimmsten, und nicht nur für sie. ver.di fordert deshalb vernünftige Arbeitszeitregelungen und keine Streichung oder Reduzierung der Zulagen für Wechsel- und Nachtschichten.
Fast stündlich neue Mitglieder
ver.di-Verhandlungsführerin Meike Jäger sagt klipp und klar: "Es geht uns um einen Tarifvertrag. Und bis wir den haben, halten wir durch. Die Forderungen der Beschäftigten sind berechtigt, da lassen wir es nicht zu, dass ihre Interessen und die der Heimbewohner und -bewohnerinnen gegeneinander ausgespielt werden." ver.di hat der Geschäftsleitung eine Notdienstverordnung angeboten, die die Geschäftsführung nicht akzeptiert hat. Das Unternehmen hat freiberufliche Pflegekräfte und Leiharbeiter/innen eingesetzt. "Wir haben bisher viel mehr Zuspruch zu unserem Streik bekommen, als ich erwartet hatte", stellt Christiane Grünwald fest. Und nicht nur von Kolleginnen und Kollegen, sondern auch von Bewohner/innen und Angehörigen. Gerade sie, sagt Gründwald, "sehen ja, dass wir unter immer höherem Druck arbeiten. Sie erleben mit, dass die Zeit in der Pflege nie reicht, weil wir zu wenige sind, und sagen, es sei gut, dass wir jetzt etwas für uns durchsetzen wollen." In dem Angebot des Arbeitgebers von Ende August geht es unter anderem um die 5,5-Tage-Woche und um "die ständige Verfügbarkeit der Beschäftigten", sagt Jürgen Wörner von ver.di. "Deshalb wird weiter gestreikt."
Neue Mitglieder gewinnt ver.di in den drei Alpenland-Pflegeheimen in Ostberlin an den ersten Streiktagen fast stündlich. Am 26. August waren es schon 95.