Betriebsrat Dirk Walther

Von Birgit Tragsdorf

Um Respekt und Umgangsformen steht es in vielen Betrieben und Einrichtungen im Landesbezirk schlecht. Da nehmen Geschäftsführungen die Interessenvertreter der Beschäftigten nicht ernst, ignorieren deren Forderungen oder unterbreiten Angebote, die den Namen nicht verdienen. Und das passiert vor allem dann, wenn zu spüren ist, dass der Rückhalt der Interessenvertretung in der Belegschaft nicht so stark ist, die Kolleg/innen nicht bereit sind, für ihre Interessen einzustehen und nur wenige gewerkschaftlich organisiert sind.

Daher praktiziert der ver.di-Landesbezirk nun schon seit einigen Jahren, und vor allem bei Haustarifverhandlungen, eine sogenannte bedingungsgebundene Tarifarbeit. Das heißt: 50 Prozent der Belegschaft sollen bei ver.di organisiert sein, mindestens aber 30 Prozent, bevor ver.di Verhandlungen aufnimmt, denn Tarifverhandlungen sind Machtfragen. Und daher leisten ver.di und Betriebsräte viel Überzeugungsarbeit, führen Gespräche über Gespräche, um die Kollegen aufzuklären und darüber zu informieren, wie sie ihre Interessen vertreten, und was notwendig ist, um erfolgreich mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können.

Wie so etwas konkret aussieht, beschreibt ver.di-Sekretär Harald Krause für das Klinikum in Chemnitz: Das Krankenhaus ist seit 1993 als gGmbh eine hundertprozentige Tochter der Stadt. Die Geschäftsführung beschloss 2006, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten, weil sie die Tarife des öffentlichen Dienstes nicht mehr zahlen wollte. Seitdem entwickelte sich im Krankenhaus unter den nichtärztlichen Beschäftigten eine Dreiklassengesellschaft von Altverträgen, Änderungsverträgen und Neuverträgen. Beim Einstiegsgehalt bewegt sich die Spanne schon zwischen 1700 und 2500 Euro. Und das in einem Haus und für die gleiche Arbeit.

Die Geschäftsführung hat über zehn Verhandlungsrunden hinweg versucht, die Tarifkommission vorzuführen. Sie ließ Rechtsanwälte verhandeln, das Gesprächsklima war miserabel. Die ver.di-Betriebsgruppe und -sekretäre gingen immer wieder durch das Haus, suchten das Gespräch, organisierten Aktionen und Warnstreiks. Die Geschäftsführung zog alle Register, beorderte sogar die Auszubildenden als Streikbrecher aus der Schule in die Klinik. Nun wuchs der Unmut der Beschäftigten und endlich auch ihre Bereitschaft, sich für sich selbst zu engagieren. ver.di gewann 250 neue Mitglieder und erkämpfte schließlich nach 14 Runden einen Haustarifvertrag, der sich sehen lassen kann: ein guter Manteltarif, Einmalzahlungen und eine Angleichung bis 2012 auf 96 Prozent des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD). "Die Mitarbeiter sind stolz aus dieser Tarifrunde herausgegangen, sie können was bewegen, haben den schleichenden Prozess der Entsolidarisierung umkehren können, das Gesprächs- und Arbeitsklima hat sich deutlich verbessert", fasst Harald Krause zusammen.

Warnstreik zur richtigen Zeit

"Ignoranz und das große Jammern der Arbeitgeber haben wir bei den Tarifverhandlungen im Groß- und Außenhandel ebenfalls zu spüren bekommen", erzählt Dirk Walther, Mitglied der Tarifkommission und Betriebsrat beim Metro-Großhandel in Leipzig. Dass die Geschäfts- und Umsatzzahlen ordentlich nach oben gegangen waren, wurde gar nicht erwähnt.

"In den letzten Jahren ist es uns schwer gefallen, Kollegen zu motivieren, für ihren Tarifvertrag aktiv zu werden. Erst als der Abbau von übertariflichen Leistungen erfolgte, die Kosten ringsherum für alle stiegen und vor allem der Personalabbau trotz Umsatzsteigerung immer mehr Arbeit für weniger Leute brachte, wurden die Kollegen rührig", so Dirk Walther. Um ihre Wünsche und Ziele für die Verhandlungen zu erfahren, startete die ver.di-Tarifkommission per Postkarte eine Umfrage unter den Beschäftigten bei der Metro. Sie wollten auch wissen, wie groß die Bereitschaft für einen Warnstreik ist. Als dann die Arbeitgeber mit besorgten Minen ein Angebot machten, welches um 1,5 Prozent niedriger als das fast zeitgleich vorgelegte Angebot in Baden-Württemberg war, und sie auch noch die Begründung lieferten, das sei der Abschlag für Sachsen, war es dann genug. Am Mittwoch vor Himmelfahrt standen die Kolleg/innen vor dem Tor und nicht im Großmarkt. Und das tat dann der Metro richtig weh. Ein neuer Gesprächstermin, ein neues Angebot und dann ein guter Abschluss waren das Ergebnis - und die Verdoppelung der Zahl der ver.di-Mitglieder im Betrieb.