Die Diskussion zum Thüringer Ladenöffnungsgesetz läuft auf vollen Touren, denn das alte endet zum 31. Dezember 2011. Derzeit liegen zwei neue Gesetzentwürfe vor. Ursprünglich war das bundesweit geltende Ladenschlussgesetz als ein Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer gedacht. Die Länderregelungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lassen davon allerdings nichts mehr spüren. Allein in Thüringen arbeiten zirka 64.000 Menschen im Einzelhandel. Für viele von ihnen haben sich mit jeder gesetzlichen Änderung die Arbeitszeiten immer mehr in die Nacht hinein ausgedehnt; sie müssen noch mehr und noch flexibler arbeiten. Von einer Berücksichtigung von Familie, Kindern und sozialen Kontakten kann keine Rede sein.

War nicht so gemeint

Auf einer Betriebsrätekonferenz im Thüringer Einzelhandel im Mai dieses Jahres versprachen selbst die anwesenden Vertreter von FDP und CDU, sich in ihren Fraktionen für ein Ladenschluss um 20 Uhr einzusetzen, als sie von den konkreten Arbeitsbedingungen und der Personal- und Sicherheitssituation in den Betrieben erfuhren. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf der Regierung spricht jedoch eine andere Sprache, und der im Mai anwesende FDP-Vertreter hat es dann doch nicht so gemeint. In einem zweiten Gesetzentwurf von der Fraktion Die Linke sind die Öffnungszeiten bis 20 Uhr dagegen wieder enthalten. Beide Entwürfe, so hat es der Landtag beschlossen, sind nun Grundlage weiterer Diskussionen und der Entscheidung in den Ausschüssen, und damit im Landtag.

In Briefen und persönlichen Gesprächen haben in den letzten Wochen Beschäftigte und Betriebsräte gegenüber regional zuständigen Landtagsabgeordneten dargestellt, wie ihre Arbeitssituation aussieht und was sie vom neuen Gesetz erwarten. Mangels kaufkräftiger Kunden und mit ansteigenden Nebenkosten durch längere Öffnungszeiten geraten die Händler unter Kostendruck. Sie sparen bei der Sicherheit und beim Personal - und damit letztendlich auch beim Service für den Kunden.

Wir müssen selber ran

Eine Verkäuferin, aktiv in ver.di, und Mutter von drei Kindern wandte sich mit einem mehrseitigen Brief unter anderem an die Präsidentin des Thüringer Landtages und schilderte, wie schwer es ist, Familie und Beruf bei immer längeren Arbeitszeiten unter einen Hut zu bringen. Die Antwort: zehn Zeilen voller Phrasen von Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit, geändertem Kaufverhalten. Kein Wort zu dem, was die Kollegin konkret bewegt.

Die erste Beratung zum zukünftigen Ladenöffnungsgesetz im Thüringer Landtag am 16. September hat deutlich gezeigt, dass mittlerweile eine ganze Reihe von Mitgliedern des Landtages verschiedener Fraktionen eine Verbesserung des Gesetzes und die Änderung des Regierungsentwurfes für erforderlich hält.

Anders als noch 2006 haben nun ver.di-Mitglieder, gleich ob im Handel beschäftigt oder als Kunden, es bis zur endgültigen Entscheidung im Landtag in der Hand, die Landtagsabgeordneten in den nächsten Wochen mehrheitlich davon zu überzeugen, dass kein Gesetz mit einer "Rund um die Uhr Ladenöffnung" gebraucht wird.

ver.di mobilisiert derzeit in Thüringen zu Aktionen: Schreiben Sie persönliche Briefe über Ihre Erfahrungen mit der Ladenöffnung an die Landtagsabgeordneten und starten sie Überzeugungsbesuche in den Bürgersprechstunden - nur wenn wir selbst aktiv werden, wird sich etwas ändern. Wir haben es in der Hand. Bettina Penz