Ausgabe 11/2011
Es geht um Würde
Stefanie Nutzenberger ist im ver.di-Bundesvorstand zuständig für den Handel
ver.di PUBLIK | Der Arbeitgeberverband im Einzelhandel, der "Handelsverband Deutschland" (HDE), hat Verhandlungen über einen Branchenmindestlohn für die Beschäftigten im Einzelhandel angeboten. Ist das ein ernsthaftes Angebot?
STEFANIE NUTZENBERGER | Die Arbeitgeber sind bereit, mit uns als der zuständigen Fachgewerkschaft über einen Branchenmindestlohn im Einzelhandel zu reden. Es wird sich zeigen, ob es möglich sein wird, eine Einigung bezüglich der Höhe eines solchen Mindestlohns zu erzielen.
ver.di PUBLIK | Und wie hoch müsste ein Branchenmindestlohn im Einzelhandel aus Sicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft sein?
NUTZENBERGER | Im Einzelhandel gibt es Flächentarifverträge in den verschiedenen Bundesländern. An denen werden wir uns orientieren und noch in diesem Jahr gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den Tarifkommissionen diskutieren, wie hoch der Branchenmindestlohn aus unserer Sicht sein müsste, und diese Höhe beziehungsweise Forderung dann festlegen.
ver.di PUBLIK | Was verdient denn eine Verkäuferin oder ein Verkäufer im Einzelhandel nach den von ver.di ausgehandelten Flächentarifverträgen durchschnittlich?
NUTZENBERGER | Die Kolleginnen und Kollegen verdienen nach den Flächentarifverträgen im Durchschnitt 13 Euro die Stunde.
ver.di PUBLIK | Und wie sieht es da aus, wo nicht nach Tarif gezahlt wird? Was heißt eigentlich Dumping-Entlohnung im Einzelhandel konkret?
NUTZENBERGER | Frauen und Männer im Einzelhandel sind zum Teil gezwungen, für fünf oder sechs Euro in der Stunde zu arbeiten. Das betrachten wir als sittenwidrig. Es finden sich zum Glück immer wieder mutige Kolleginnen und Kollegen, die gegen diese sittenwidrige Bezahlung vor Gericht ziehen und ihre Verfahren auch gewinnen. Aber eben erst vor Gericht.
ver.di PUBLIK | Ein Tarifvertrag über einen Branchenmindestlohn, der für allgemeinverbindlich erklärt wird, soll da Abhilfe schaffen.
NUTZENBERGER | Tarifverträge generell sind für die Beschäftigten von elementarer Bedeutung. Denn sie bieten Stabilität. Und ein Tarifvertrag Mindestlohn böte die Chance, einen Mindeststandard bei Lohn und Gehalt im Einzelhandel festzulegen. Dabei geht es uns vor allem um Würde und Respekt, also darum, dass mit den Beschäftigten respektvoll umgegangen wird. Dafür bieten Tarifverträge eine gute Basis.
ver.di PUBLIK | Ist denn absehbar, ab wann verhandelt wird?
NUTZENBERGER | Für den 25. November ist unsere "Große Tarifkommission Mindestlohn" eingeladen. Dort werden die Ergebnisse aus den regionalen Kommissionen diskutiert und voraussichtlich schon konkrete Forderungen beschlossen. Und damit gehen wir in die Gespräche mit den Arbeitgebern.
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